Wollen Frauen gar nicht mehr Lohn? - Swisscom

Wollen Frauen gar nicht mehr Lohn?

Die Frage ist frech oder zumindest gewagt. Doch sie drängt sich auf, liest man die neusten Forschungsergebnisse, wie sich das Einkommen aufs Eheglück auswirkt.

Es ist kein Stein liegen geblieben. Noch der kleinste Kiesel wurde umgedreht, um die ungleiche Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt zu erklären und zu schliessen. Ökonomen, Soziologen, Psychologen und Politiker haben mit unzähligen Studien diesseits und jenseits des Atlantiks das geschlechtsspezifische Verhalten am Arbeitsplatz gemessen, analysiert und daraus Massnahmen entwickelt. Zuerst und vorab wurde der Zugang der Frauen zur Bildung verbessert. Und das mit Erfolg. Heute sind Frauen nicht nur gleich gut ausgebildet, sie sind gerade daran, die Männer in Sachen Schulabschlüsse zu überrunden. Weiter haben technologische Innovationen den Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht, und die gewachsene Nachfrage im Dienstleistungssektor hat die weibliche Beteiligung verbessert. Nicht zuletzt haben Antidiskriminierungsgesetze dafür gesorgt, dass Frauen heute wirtschaftlich besser gestellt sind als je zuvor. (Lesen Sie auch: «Das Zauberwort in Lohnfragen» )

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Dennoch bleibt ein beträchtlicher «gender gap» hartnäckig bestehen: Noch immer verdienen Männer in gewissen Branchen und vorab auf gewissen Stufen wesentlich mehr als Frauen. Noch immer sind Frauen in der Topetage die Ausnahme. Und ihre Beteiligung auf dem Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren auch nicht mehr gewachsen. (Lesen Sie auch: «Weshalb Frauen arm dran sind» )

Nun plädieren die ersten Forscher für einen Paradigmenwechsel: Vielleicht, sagen sie sich, ist gar nicht der Zugang zu Bildung und Markt schuld, dass Frauen hintanstehen. Vielleicht liegt es an ganz anderen, nicht traditionell ökonomischen Faktoren: Die beiden Wirtschaftswissenschafter George Akerlof und Rachel Kranton haben in bahnbrechenden Studien gezeigt, dass Identitätsbilder ökonomische Folgen haben können. Die Qualität eines Künstlers etwa schlägt sich nicht direkt auf sein Einkommen nieder. Also gilt er auch nicht als gescheitert, wenn er wenig verdient. Ähnlich, so vermuten die beiden Wissenschafter, dürften sich Frauen- und Männeridentitäten auf ihre wirtschaftliche Biografie auswirken. Diesen Gedanken hat Marianne Bertrand, Professorin für Wirtschaft an der renommierten Booth School of Business der Universität von Chicago, aufgegriffen und auf eine konkrete Frage hin überprüft: Beeinflusst die Norm, dass ein Mann mehr verdienen sollte als eine Frau, das Verhalten der Geschlechter am Arbeitsmarkt? Oder anders gefragt: Bestimmt der Lohn des Mannes vielleicht gar den Lohn der Frau? (Lesen Sie auch: «So legen Sie ihren Chef flach» )

Verdienst oder Bedrohung?

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen sind ernüchternd: Von der Heiratshäufigkeit über die Aufteilung der Familienarbeit bis hin zur Berufstätigkeit ausserhalb des Hauses konnte sie einen Einfluss der Ernährer-Norm aufzeigen. Hat die Frau etwa das Potenzial, mehr zu verdienen als der Mann, sinkt ihre Heiratshäufigkeit, wie Bertrand mit US-Daten belegt. Heiratet sie trotzdem, dann ist die Chance, dass sie sich aus dem Arbeitsmarkt teilweise oder ganz heraushält, sehr viel grösser. Mann und Frau scheinen Strategien zu entwickeln, um die traditionelle Norm des Brötchenverdienens nicht zu verletzen. Was viele Untersuchungen im Datingmarkt bereits gezeigt haben, erweist sich als wahr: Das Einkommen des Mannes ist immer ein Asset. Sobald aber eine Frau mehr verdient als ein Mann, ist ihr Lohn kein Verdienst mehr, sondern Bedrohung. Diese These unterstützten, so Bertrand, auch ihre Untersuchungen. Sie zeigt darin auf, dass Frauen, die eine höhere Ausbildung genossen haben als ihre Ehemänner, überdurchschnittlich oft ihr Lohnpotenzial nicht ausschöpfen. Sei es, indem sie sich nur in Teilzeit am Arbeitsmarkt beteiligen, sei es, dass sie eine Stelle innehaben, für die sie überqualifiziert sind. Ausserdem erledigen diese Frauen nicht nur mehr Hausarbeit als ihre Männer – sie arbeiten auch mehr unbezahlt als verheiratete Frauen, deren Lohntüte keine Bedrohung ist für den Mann. Das sind schlechte Neuigkeiten für die Wirtschaft

Bleibt die Frage, warum Frauen bereit sind, ihr Licht und ihr ökonomisches Potenzial systematisch unter den Scheffel zu stellen. Auch dafür hat Bertrand eine durchaus plausible Erklärung: Ihre Untersuchungen zeigen nämlich: Der Prozentsatz der verheirateten Pärchen, die mit ihrer Ehe glücklich sind, sinkt, wenn die Frau mehr verdient als ihr Mann. Das Scheidungsrisiko steigt.

Oder anders gesagt: Eine Lohnerhöhung kann die Frau teuer zu stehen kommen.

(Clack)