Wie sich Bäume gegenseitig bekämpfen: Autor Markus Bennemann im Interview
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Herr Bennemann, Pflanzen und Boshaftigkeit – das passt auf den ersten Blick gar nicht zusammen. Wie sind Sie auf diesen Zusammenhang gekommen?
In letzter Zeit geht es ja häufig darum, dass Bäume furchtbar nett zueinander sind, füreinander sorgen und miteinander reden. Da dachte ich: Tiere tun schon die unglaublichsten Sachen, um im Überlebenskampf zu gewinnen, Menschen sind auch nicht ohne – das wird doch bei Pflanzen wahrscheinlich nicht anders sein. In der Natur gibt es immer reichlich „Boshaftigkeiten", wenn man genug sucht – und die gibt es auch bei den Bäumen.
Was genau meinen Sie eigentlich mit „böse"?
„Böse" nenne ich Bäume natürlich mit einem Augenzwinkern. Unsere Moral auf die Natur zu übertragen, ist im Grunde sehr schwierig. Aber Bäume stechen sich schon gegenseitig aus, um zu überleben. Und mit welchen Strategien, ist manchmal wirklich haarsträubend. Es gibt zum Beispiel Schmarotzer wie den Sandelholzbaum, der an seinen Wurzeln kleine Saugnäpfe hat, mit denen er anderen Bäumen die Nährstoffe abzapft. Die Würgefeige erwürgt andere Bäume richtiggehend, um anschließend ihren Platz einzunehmen. Tamarisken trocknen durch eine Art eigenes Streusalz die Böden aus und machen ihre Umgebung damit für andere Bäume unbewohnbar.
Die bösen Bäume in Ihrem Buch wachsen auf der ganzen Welt. Wo steht der größte Übeltäter?
Der Baum, der für uns Menschen am gefährlichsten ist, ist sicherlich der Eukalyptus. Der hat eine geradezu unglaubliche Überlebensstrategie, die in Australien und anderswo aber leider auch viel Leid verursachen kann. Der Eukalyptus gehört zu den sogenannten Pyrophyten und heizt bei Waldbränden das Feuer zusätzlich an – durch trockene Rindenstücke und durch mit entzündlichen Ölen getränkte Blätter, die regelmäßig abfallen. Sobald dann alles abgebrannt ist, bilden die verbrannten Bäume am Stamm oder an den Ästen sehr schnell neues Grün. Auch die Samen sind feuergeschützt und keimen nach dem Brand im fruchtbaren Ascheboden – und zwar da, wo sonst nichts mehr wächst. Noch mehr überrascht hat mich bei meiner Recherche allerdings der Australische Weihnachtsbaum.
Markus Bennemann ist Wissenschaftsautor und passionierter Waldgänger.
© Quelle: Karim Omar
Was hat es damit auf sich?
Das ist ein wunderschöner Baum, der zur Weihnachtszeit blüht und in Australien sehr beliebt ist. Unter der Erde streckt auch dieser Baum die Wurzeln aus und bildet dort nicht einfach nur Saugnäpfe, sondern kleine Ringe um andere Wurzeln. In diesen Ringen bildet sich eine Art Schere aus zwei messerscharfen Klingen, die hauptsächlich aus Lignin bestehen. Mit dieser Schere knipst der Australische Weihnachtsbaum anderen Bäumen die Wurzeln durch, um anschließend Wasser und Nährstoffe abzusaugen.
Grundsätzlich will ich aber keineswegs Stimmung gegen irgendwelche Bäume machen – eher im Gegenteil!
Und gibt es in Deutschland auch so etwas wie „böse Bäume"?
Ja, nicht nur Exoten können anderen Bäumen Schaden zufügen. Die Walnuss zum Beispiel vergiftet ihre Umwelt. Über die Blätter, die grünen Schalen der Nüsse und die Wurzeln gelangt ein Pflanzengift in den Boden. Dieses Gift hemmt das Wachstum und tötet andere Pflanzen in der Nähe. Die Buche wiederum sieht man vor allem deshalb so oft im Wald, weil sie mit wenig Licht auskommt und anderen Bäumen buchstäblich über den Kopf wächst. So schirmt sie alles ab und unter ihr wächst kaum etwas anderes mehr.
Muss man böse Bäume bekämpfen?
Nein, prinzipiell natürlich nicht, sie tun ja nur, was in ihrer Natur liegt. Aber ob man Eukalypten zum Beispiel extra irgendwo anpflanzen sollte, ist schon eine Frage. Und Tamarisken werden in den USA als invasive Spezies bekämpft – mit Pestiziden, Flammenwerfern und feindlichen Insekten. Hat man selbst eine Walnuss im Garten, kann man eine Wurzelsperre einrichten, damit das Gift sich weniger ausbreitet. Grundsätzlich will ich aber keineswegs Stimmung gegen irgendwelche Bäume machen – eher im Gegenteil!
Bäume tun also Böses, um zu überleben. Wird sich das im Zuge des Klimawandels noch verschlimmern?
Bei den großen Eukalyptuswäldern in Australien ist das wohl der Fall. Je heißer die Sommer, also das „Feuerwetter", wie man es dort nennt, umso größer und gefährlicher die Brände. Das Gleiche gilt dann auch für Eukalyptusplantagen bei uns in Europa – da kam es ja leider auch schon zu ganz schlimmen Tragödien. Auch der mit Saugnäpfen und Wurzelscheren ausgetragene Kampf ums Wasser wird bei Trockenheit noch härter. Andere böse Bäume könnten uns im Kampf gegen den Klimawandel aber vielleicht sogar helfen.
Wie etwa?
Von der Buche heißt es zum Beispiel, dass sie ein kühleres Klima innerhalb des Waldes begünstigen und damit auch eine gewisse Kühlfunktion haben kann.
Das Buch „Böse Bäume" erscheint ab dem 9. November beim Goldmann-Verlag, UVP: 18 Euro.
© Quelle: Goldmann Verlag
Wenn Sie ein abschließendes Urteil fällen müssten: Sind Bäume eher gut oder eher böse?
Wie gesagt: Mit solchen Begriffen an die Natur ranzugehen, ist eigentlich natürlich Quatsch. Und die Bäume wird’s auch nicht groß interessieren. Sie machen nur das, was gut für sie funktioniert. Nach menschlichen Maßstäben beurteilt, ist das aber halt nicht nur lieb und nett. Sondern – leider sogar ziemlich oft – auch ganz schön böse.