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Wie der Klimawandel physikalisch funktioniert

In meinem letzten Blogbeitrag über den Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai hatte ich eine Fußnote über die physikalischen Hintergründe von Treibhauseffekt und Klimawandel angehängt. In der Folge hat sich dann gezeigt, dass dieser Mechanismus nicht weithin bekannt ist. Deswegen habe ich das entscheidende Prinzip dahinter noch mal etwas länger aufgeschrieben. Das ist jetzt natürlich nur eine modellhafte Beschreibung, die aber hoffentlich verdeutlicht, warum die Bezeichnung Treibhauseffekt irreführend ist, wenn es um den Klimawandel geht. Die Atmosphäre funktioniert in einigen entscheidenden Punkten eben nicht wie ein Gewächshaus.

Ein Treibhaus wärmt zu allererst, weil es die vom Boden direkt erwärmte Luft festhält. Die Erde dagegen hat kein Glasdach, sondern eine durch die Schwerkraft festgehaltene Gashülle, in der die am Boden erwärmte Luft permanent aufsteigt und Energie abtransportiert. Zusätzliche Treibhausgase erhöhen die Temperatur unserer Erde auch nicht deswegen, weil sie die Atmosphäre noch undurchsichtiger für Infrarotstrahlung machen. Tatsächlich halten die unteren paar Kilometer der Lufthülle die Infrarotstrahlung vom Boden bereits weitgehend zurück.[1]

Dass sich die Atmosphäre durch Treibhausgase erwärmt, kommt durch die Kombination dreier Effekte zustande. Erstens muss die Erde immer so viel Energie abstrahlen, wie sie von der Sonne erhält, zweitens verhindern die Treibhausgase, dass die Infrarotenergie vom Erdboden direkt ins All gestrahlt wird, und drittens nehmen Druck und Temperatur in der Atmosphäre mit der Höhe ab.

Die Energiebilanz der Erde

Wenn man sich die Erde oder irgendeinen anderen Planeten aus dem Weltall anguckt, dann bekommt er Energie als Sonnenlicht. Dadurch erwärmt sich seine Oberfläche. Damit sie nicht irgendwann schmilzt, muss der Planet die erhaltene Energie wieder abstrahlen. Die Energie, die ein Körper abstrahlt – die Schwarzkörperstrahlung -, hängt direkt von der Temperatur ab. Ist die Erde zu kalt, um die nötige Energiemenge zu liefern, wird die Erdoberfläche wärmer und strahlt mehr Infrarotenergie ab, bis es wieder passt. Und umgekehrt.

Interessant wird es allerdings, wenn die Atmosphäre Gasmoleküle mit mehr als zwei Atomen enthält.[2] Deren Molekülschwingungen nämlich liegen genau im Energiebereich von Infrarotstrahlung – und deswegen können sie die Wärmestrahlung absorbieren und wieder abgeben. Wir kennen diese Gase als Treibhausgase.

Es passiert also folgendes: die Erde kriegt Sonnenstrahlung ab, die ziemlich ungestört durch die ganze Atmosphäre durchgeht. Die Oberfläche erwärmt sich dadurch und sendet längerwelliges Infrarotlicht aus. Doch nun entkommt diese Strahlung nicht mehr ins All, sondern wird von den Treibhausgasen absorbiert. In unserer Atmosphäre passiert das so effektiv, dass die Wärmestrahlung vom Erdboden in den unteren Schichten der Atmosphäre nahezu komplett abgefangen wird. [3]

Der entscheidende Punkt ist allerdings die Konsequenz daraus. Denn wenn die Treibhausgase die Infrarotstrahlung abfangen, dann kann sie natürlich nicht ins All entweichen, und die Energiebilanz der Erde ausgleichen. Die permanent von der Sonne eingestrahlte Energie muss aber trotzdem wieder zurück in den Weltraum gehen, sonst wird es ziemlich fix unangenehm warm. Das heißt, die Infrarotstrahlung, die aus dem All gesehen von der Erde ausgeht, muss aus der Atmosphäre kommen – woher auch sonst?

Die Struktur der Atmosphäre

Die Atmosphäre hat also zwangsläufig von außen gesehen eine bestimmte Temperatur, um die nötige Energie abzustrahlen. Man kann das sehr einfach ausrechnen, und kommt auf etwa 255 Kelvin, also -18 Grad Celsius. Das ist ein ganzes Stück kälter als der tatsächliche Wert hier an der Erdoberfläche. Wo kommt die restliche Wärme her?

Der Trick basiert darauf, dass Luft kompressibel ist, man kann sie zusammendrücken. Die Atmosphäre wird durch ihre eigene Schwerkraft immer dichter, je tiefer man geht. Durch die damit einhergehende Konvektion ist sie in der Höhe automatisch kälter als am Boden: an der Erdoberfläche erwärmte Luft bekommt Auftrieb und steigt auf. Durch den geringeren Druck dehnt sie sich aus – das heißt, sie verrichtet Arbeit, die Energie kostet. Die kommt aus der inneren Energie der Luft, sie wird also um so kälter, je höher sie steigt. Diese Abkühlung mit der Höhe bezeichnet man als adiabatischen Temperaturgradienten, und sie ist im Mittel konstant.[4]

Der niedrigere Druck und die niedrigere Temperatur in der Höhe sind entscheidend für den Treibhauseffekt. Man kann sich die Atmosphäre in dünne Schichten aufgeteilt denken, in denen jeweils die Treibhausgase Infrarotstrahlung absorbieren und wieder abstrahlen. Die unterste Schicht enthält so viel Treibhausgas, dass die Infrarotstrahlung komplett absorbiert und wieder abgestrahlt wird.[5] In der nächsthöheren Schicht passiert das gleiche und so weiter. Allerdings wird die Luft nach oben dünner und enthält deswegen weniger Gasmoleküle pro Volumen – und damit auch weniger Treibhausgase.

Der Klimawandel

Außerdem absorbieren Treibhausgase um so weniger Strahlung, je dünner die Luft ist.[6] Irgendwann jedenfalls wird die Luft so dünn, dass zu wenig Treibhausgas da ist, um die Infrarotstrahlung komplett zu absorbieren, und die Strahlung entkommt in den Weltraum. Und wir wissen, welche Temperatur die Luft in dieser Höhe hat: genau die 255 Kelvin, die nötig sind, um die von der Sonne eingestrahlte Energie wieder abzustrahlen. Damit ist auch klar, dass die mittlere Temperatur auf Meereshöhe noch mal ein gutes Stück höher sein muss. Das passiert automatisch durch den adiabatischen Temperaturgradienten, durch den es nach unten immer wärmer wird. Tatsächlich ist diese so genannte "lapse rate" der Kern des Treibhauseffekts.

Wenn man nun also immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre pumpt, passiert folgendes: die erste Luftschicht, die dünn genug ist, das Infrarotlicht in den Weltraum durchzulassen, wird plötzlich durch die zusätzlichen Treibhausgase undurchsichtig. Dadurch lässt erst die nächsthöhere Schicht das Licht durch, und der Teil der Atmosphäre, der Energie in den Weltraum strahlt, liegt ein bisschen höher.

Und durch den adiabatischen Temperaturgradienten ist sie natürlich auch ein bisschen kälter. Damit ist sie nicht mehr warm genug, um die fürs thermische Gleichgewicht nötige Energie abzustrahlen. Die Erde erhält mehr Energie als sie abstrahlt, und die strahlende Schicht wird so lange wärmer, bis die Energiebilanz wieder stimmt. Da die Temperatur mit konstanter Rate abnimmt, je höher man geht, müssen alle anderen Schichten darunter auch wärmer werden – bis hinunter zum Erdboden.

Der Klimawandel passiert also eben nicht einfach nur, weil die Treibhausgase "mehr Wärme" absorbieren. Der entscheidende Faktor sind die Temperatur- und Druckgradienten mit der Höhe in der Atmosphäre. Der Begriff Treibhauseffekt ist also mechanistisch gesehen eher irreführend, wenn es darum geht, den Klimawandel zu verstehen. Ein Gewächshaus hat kein Analogie für das, was bei einer Zunahme der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre passiert.

[1] In einigen Bereichen des Infrarotspektrums ist die Atmosphäre durchsichtiger als in anderen, so dass einige Wellenlängen auch in der unteren Atmosphäre recht weit kommen. Das ist für das Prinzip aber nicht so relevant.
[2] Das stimmt streng genommen nicht ganz. Für die Infrarotabsorption braucht ein Molekül ein Dipolmoment, und es gibt entsprechend auch zweiatomige Moleküle wie CO, die im IR absorbieren. Die klassischen atmosphärischen Treibhausgase haben aber alle mehr Atome.
[3] Die untere Atmosphäre strahlt natürlich auch im Infraroten und gibt so die aufgenommene Energie nach oben weiter. Dieser Prozess ist aber so ineffizient, dass der meiste Wärmetransport nach oben durch Konvektion – also aufsteigende warme Luft – passiert. Ohne Konvektion würden die Treibhausgase die Oberfläche viel stärker aufheizen.
[4] Tatsächlich gibt es nicht "den" adiabatischen Temperaturgradienten, sondern den trockenadiabatischen Temperaturgradienten und den feuchtadiabatischen Temperaturgradienten. Und damit ist auch die maximale Häufigkeit des Begriffs "adiabatisch" in einem meiner Artikel erreicht.
[5] Die Strahlungsbilanz in der unteren Atmosphäre ist zwar für den Treibhauseffekt wenig relevant, aber um so mehr für die Oberflächentemperatur. Wenn es wärmer wird, ist in der unteren Atmosphäre mehr Wasserdampf, was diese Schichten zu effektiveren Strahlern macht. Dadurch wird die Erdoberfläche zusätzlich geheizt – ein beträchtlicher Teil der steigenden Temperaturen auf Meereshöhe geht nicht auf CO2, sondern auf die zusätzliche Strahlung bodennnahen Wasserdampfes zurück.
[6] Es funktioniert folgendermaßen: ein Molekül absorbiert nicht einfach "Infrarotlicht". Die Absorption beschränkt sich auf einzelne, ganz scharf abgegrenzte Wellenlängen, die Quantenübergängen im Molekül entsprechen. Jeder Quantenübergang benötigt eine ganz bestimmte Energie, die einer ganz bestimmten Wellenlänge entspricht, und das Molekül nimmt nur Photonen auf, die genau diese Wellenlänge haben. Passt die Wellenlänge nicht, wird das Licht auch nicht absorbiert. Absorptionslinien sind also – im Rahmen der Unschärferelation – messerscharf. Allerdings stoßen die Gasmoleküle in der unteren Atmosphäre dauernd zusammen. Dadurch übertragen sie untereinander Energie, die bei den Quantenübergängen hinzukommen oder weggehen kann. Durch dieses als Druckverbreiterung bezeichnete Phänomen werden die eigentlich scharf begrenzten Spektrallinien breiter und decken ab nem gewissen Druck große Teile des Infrarotbereichs ab. Nimmt der Druck ab, werden die Absorptionsbanden schmaler. Irgendwann wird das Absorptionsspektrum so "löchrig", dass die meiste Energie durchkommt. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Wasserdampf zwar das wirkungsvollste Treibhausgas ist, aber am grundsätzlichen Mechanismus des Kohlendioxid-getriebenen Klimawandels nichts ändert.

  1. Veröffentlicht in:Klima und Umwelt, Physik

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Redakteur und Autor bei spektrum.de, ursprünglich Chemiker. Mehr über mich (und weitere Artikel) auf meiner offiziellen Profilseite.