Teure Raststätten: Wer verdient tatsächlich am Milliardengeschäft?


Deutschlands teure Autobahnraststätten

Kaffee 5 Euro, Schnitzel 19,99 – und trotzdem verdient kaum einer Geld mit Raststätten

Die Raststätten an deutschen Autobahnen sind ein Milliardengeschäft – zumindest in der Theorie. In der Praxis profitieren nur sehr wenige von den Wucherpreisen für Bockwürstchen und Sprit. Einblicke in ein System am Limit.

02.11.2024, 11:00 Uhr

Drei Berufskraftfahrer stehen auf dem Parkplatz einer Raststätte in Nord­deutschland, einer raucht, alle sind dick eingepackt. Es ist kalt hier Mitte Oktober. Doch sich in der Raststätte rund 200 Meter entfernt aufwärmen, einen Kaffee trinken, ein Sandwich essen, das wollen sie nicht. Oder vielmehr: Das können sie nicht.

Die drei fahren an diesem Tag für die Windkraftbranche, sie verbringen viel Zeit auf Rast­anlagen an Deutschlands Autobahnen. „Kannste dir nicht leisten", sagt der Älteste von ihnen und reibt seine beiden Finger zusammen. Kostet ordentlich Zaster – zu viel Zaster. „Kein Wunder, dass an den Raststätten nichts mehr los ist", sagt der andere.

Nicht nur Trucker ärgern sich darüber, sondern nahezu jeder, der regelmäßig auf deutschen Autobahnen unterwegs ist: Die Raststätten sind teuer, die Qualität ist dafür nur okay, manchmal schlecht. Das Verhältnis zwischen Preis und Leistung scheint nicht mehr zu stimmen.

Jede Menge Verlierer

Es geht um teuren Kaffee und überteuerten Sprit, um unterbezahlte Führungs­kräfte und internationale Finanz­investoren. Im Mittelpunkt steht ein System, das für die deutsche Infrastruktur zentral ist. Das sowohl wegen des wachsenden Güterverkehrs als auch wegen des Stromhungers von Elektroautos immer wichtiger wird. Das aber gleichzeitig vor allem eines zu produzieren scheint: jede Menge Verlierer.

Doch warum ist das so?

An der A20, rund 25 Kilometer Luftlinie von der Ostseeküste entfernt, liegt die Raststätte Fuchsberg Süd. Dort, wo die drei Trucker auf dem Parkplatz Pause machen. Beim alljährlichen ADAC-Rastanlagen­check wurde die Anlage im September zur schlechtesten Raststätte Deutschlands gekürt. „Toiletten optisch teilweise schmutzig", schreiben die Tester. Geändert hat sich hier durch die Kritik scheinbar wenig – das Herrenklo ist auch bei einem Besuch im Oktober weit entfernt von Sauber.

„Restaurant der Rastanlage zum Testzeitpunkt geschlossen, kein Hinweis dazu an der Autobahn", heißt es weiter im Testergebnis. Zwar steht in großen Lettern das Wort Küche in fünf verschiedenen Sprachen bunt an der Fassade der Gaststätte, aber niemand kocht. Im Außenbereich gibt es eine Wiese, in der zwei Autoreifen stecken – warum auch immer.

Interessante Deko an der Raststätte Fuchsberg Süd.

Quelle: Sebastian May

„Ich habe da jetzt keine großen Ansprüche", sagt Christiane van den Boom, Dortmunderin. „Es ist okay." Sie ist auf dem Weg zur Ostsee, Freunde besuchen. Seit 4 Uhr in der Früh ist sie auf der Straße. In ihrer Hand hält sie einen Kaffee, den sie sich gerade gegönnt hat. Fast 5 Euro hat sie dafür bezahlt.

„Früher haben wir uns mal eine Kleinigkeit gekauft. Jetzt machen wir es wie ganz früher. Dass man sich alles mitnimmt", sagt Karin Möller, Anfang 70, die ebenfalls Pause in Fuchsberg Süd macht. Eine Packung Merci-Schokolade kostet 7,99 Euro, die gibt es beim Supermarkt für 3,79 Euro. Für einen halben Liter Wasser der Marke Vio zahlen Kunden 3,79 Euro an der Raststätte, 69 Cent wären es im nächsten Rewe.

Die Dortmunderin Christiane van den Boom hat den größten Teil ihrer Reise bereits hinter sich.

Quelle: Sebastian May

An einer anderen Raststätte in Norddeutschland zahlt das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) beim Test 11,70 Euro für einen Avocado-Bagel und einen Schoko-Muffin. An wieder einer anderen Raststätte stinken die Toiletten derart, dass die ganze Anlage davon betroffen ist. An noch einer anderen Rastanlage kostet der Liter Super E10 stolze 2,16 Euro – ganze 40 Cent mehr als in der Stadt nebenan.

„Die Preisunterschiede sind nicht mehr rational erklärbar", sagt Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundes­verband. „Die Leidtragenden sind die Verbraucherinnen und Verbraucher." Obendrauf kommt noch ein Euro für die Toilettennutzung über das System Sanifair. Jene Maschine, die einem einen Bon auswirft, mit dem man eine 4‑Euro-Gummibärchenpackung im Shop einen Euro günstiger bekommt. Linken-Politiker Victor Perli, der sich bundespolitisch mit Raststätten beschäftigt, meint: „Das ist schamlose Abzocke!"

Stimmt der Vorwurf? Wie kommen die hohen Preise zustande? Und wer profitiert davon? Auf der Suche nach Antworten lässt sich eine Menge über Verhältnis zwischen Staat, Unternehmen und Bürgern in Deutschland erfahren.

Der Betreiber

Der Getränkekühlschrank in Fuchsberg Süd gibt einen ersten Hinweis. „Stop & Shop" prangt dort über dem kalten Vio-Wasser.

Stop & Shop ist seit 2007 eine eingetragene Marke der Firma SSP Deutschland. Das Unternehmen ist mit über 288 Millionen Euro Umsatz im vorvergangenen Geschäftsjahr einer der größten Verkehrs­gastronomen des Landes. Wer an Bahnhöfen, Flughäfen oder eben an der Autobahn rastet, kommt an SSP Deutschland nicht vorbei. Trotzdem dürfte kaum ein Reisender jemals diesen Namen gehört haben. Der Grund: SSP ist vor allem ein klassischer Franchise­nehmer. Das Unternehmen betreibt Restaurants, Cafés oder Stehimbisse im Namen anderer: zum Beispiel Burger King, Starbucks oder Kamps.

Der „Service an der Straße", wie SSP Deutschland seine Raststätten­aktivitäten früher nannte, stellte bislang einen wichtigen Geschäftszweig dar. Geprägt wird dieser durch das Verhältnis zu einem Unternehmen, ohne das an Deutschlands Autobahnen so gut wie gar nichts geht und dessen größter Franchisenehmer SSP Deutschland aktuell noch ist. Die Rede ist vom Quasimonopolisten Tank & Rast.

Der große Boss an der Autobahn

Tank & Rast ist der Big Player entlang der Autobahnen. Das Bonner Unternehmen ist in den 1990er-Jahren aus den damals noch staatlichen Gesellschaften für Autobahn­tankstellen und Nebenbetriebe hervorgegangen und hält 411 von insgesamt 440 sogenannten Konzessionen für Rastanlagen. Die wenigen anderen liegen vor allem bei Mineralöl­konzernen, Fuchsberg Süd etwa gehört Aral. Konzessionen räumen das Recht ein, die Raststätten­gebäude und Tankanlagen zu betreiben, und zwar meistens mindestens bis 2028. Es besteht außerdem eine Option auf Verlängerung, wie der Mustervertrag der Konzessionen aus dem Jahr 1998 belegt, der dem RND vorliegt. Bis voraussichtlich 2038 gibt Tank & Rast an den Autobahnen den Ton an.

Dies ist ein Auszug eines Musterkonzessionsvertrag aus dem Jahr 1998.

Quelle: Sebastian May

Eine kurze Geschichte des Verkaufes

Den Wert dieser Konzessionen beziffert die Tank & Rast Gruppe im letzten einsehbaren Jahresabschluss zum Jahr 2023 auf rund 1,87 Milliarden Euro. Jährlich zahlen die Bonner dafür eine Abgabe an den Bund, deren Höhe sich am Umsatz bemisst.

Tank & Rast wurde 1998 privatisiert und an ein Konsortium aus Lufthansa, Allianz sowie dem Private-Equity-Unternehmen Apax für 1,2 Milliarden D‑Mark verkauft. Danach folgten zahlreiche weitere Gesellschafter­wechsel (siehe Zeitstrahl).

Das Pachtgeschäft und die Preise

In der Regel lässt Tank & Rast seine Rastanlagen von Pächtern wie SSP Deutschland betreiben. Nach einer Erhebung des RND bewirtschaften viele Pächter zwei bis vier Raststätten, einige auch mehr. SSP Deutschland ist mit mindestens 50 Raststätten der mit Abstand größte Pächter. Nach Angaben auf Seiten des deutschen Franchiseverbands gibt es insgesamt 78 Partner von Tank & Rast.

Die Pächter führen die Raststätten in Eigenregie und bestimmen auch die Preise – zumindest offiziell. Auf RND-Anfrage teilt Tank & Rast mit: „Die Franchisepartner führen ihre jeweiligen Betriebe als selbständige Unternehmer mit Kundenfokus in wirtschaftlicher Eigenverantwortung. Neben der Beschäftigung von Personal obliegt ihnen unter anderem auch die eigenständige Preisgestaltung in der Gastronomie und in den Shops." Doch ganz so einfach scheint die Sache nicht zu sein.

Der Insider

Das RedaktionsNetzwerk Deutschland spricht mit einem Branchen­insider. Er will anonym bleiben, „um geschäftliche Beziehungen nicht einzutrüben", wie er erklärt. Und ja, die Pächter würden die Preise bestimmen, aber sie seien wirtschaftlichen Zwängen unterlegen.

Sie zahlen fixe und variable Pachten, die sich am Umsatz orientieren und sich auch im Jahresabschluss von Tank & Rast nachlesen lassen. Obendrauf kommen dem Insider zufolge aber noch jeweils Franchise­gebühren für die Toiletten von Sanifair oder Essensangebote von Serways – beides Tochterunternehmen der Tank & Rast. Ablehnen könne ein Pächter oder eine Pächterin diese Services kaum. „Da haben sie nicht viel Spiel­raum", sagt der Insider. Tank & Rast selbst spricht von individuellen Verträgen und gibt dazu keine weiter­gehenden Auskünfte.

Die Franchiseverträge gibt es bei Tank & Rast erst seit 2017. Man wolle damit „einheitliche Servicestandards" gewährleisten, teilt das Unternehmen mit. Laut dem internen Kenner dient das Franchise­system vor allem dazu, die Pächter enger an die Leine zu nehmen. „Sie bekommen alles vorgeschrieben. Vom Getränk über die Speisen, das müssen sie umsetzen", sagt er. Auch festgeschriebene Preisspannen gebe es.

Tank & Rast erklärt: „In den Verträgen zwischen Tank & Rast und den selbständigen Franchisepartnern wird – wie in Franchise-Verhältnissen üblich – ein gemeinsamer und verbindlicher Handlungsrahmen für den Betrieb der jeweiligen Raststätten geregelt, um standort­übergreifende Service­standards für Reisende zu sichern."

Komplett eigenständig scheinen die Pächter oder Franchisenehmer bei den Preisen also nicht zu sein. Werden durch höhere Preise die Umsätze und damit die umsatzabhängigen Franchise­gebühren in die Höhe getrieben? Tank & Rast nennt andere Gründe.

Als Ursache für die Höhe der Preise werden vielmehr die vertraglich vorgeschriebenen durchgängigen Öffnungs­zeiten der Raststätten angeführt. Das Argument hört man in der Branche oft. Ein Autobahn­raststätte muss anders kalkulieren als die Konkurrenz abseits der Pisten. Ein Preisvergleich sei schwer.

Aber wie profitabel ist das Geschäft an der Autobahn eigentlich? Und wer profitiert?

Niedriglöhner und Führungskräfte

Zurück auf der Autobahn in Norddeutschland, an einer Raststätte. Es ist gerade wenig los, eine Verkäuferin, auch sie anonym aus Sorgen vor Ärger, hat Zeit, ein wenig zu erzählen. Sie stamme aus der Ukraine. „Mein Deutsch ist durch die Arbeit viel besser geworden", erzählt sie stolz. Ihr gefalle der Kunden­kontakt, auch wenn es manchmal stressig sei. Mancher Kunde nerve, immer wieder würden welche kommen, wenn die Toilette nicht sauber ausschaue, dabei sei das nicht mal unbedingt ihr Job. Auch an diesem Tag ist ein Klo im Männerbereich kurz vor der Überflutung. „Einer von uns ist immer bei den Toiletten", sagt sie zwar, aber „vielleicht ist der Kollege nicht gekommen".

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt das Geld schon mal nicht an. Dem RND liegt eine Gehalts­liste von SSP Deutschland vor. Die ist nicht repräsentativ für jeden Pächter, bietet aber einen ersten Eindruck. Mitarbeiter ohne Vorerfahrung verdienen aktuell 2214 Euro brutto im Monat, Mitarbeiter an der Kasse rund 60 Euro mehr. Führungskräfte mit Budget­verantwortung, die mehrere Standorte führen, erhalten 3372 Euro brutto – nur etwa 300 Euro mehr als ein durchschnittlicher Lkw‑Fahrer.

„Ich frage immer, warum tut ihr euch das an!", erzählt Uwe Ledwig, Vorsitzender des Landesbezirks Ost der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Er selbst hat schon Tarifverhandlungen für Angestellte an Rastanlagen geführt. Ein Problem für die Mitarbeitenden seien auch die Kosten, um überhaupt an ihren Arbeitsplatz zu kommen. „Die Leute brauchen schlicht ein Auto. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen sie da kaum hin."

Wer trotz schlechter Bezahlung und Schichtarbeit an der Raststätte schufte, mache das, weil er für den Job brenne, glaubt Ledwig. „Man braucht da ein bestimmtes Raststätten-Gen." Das ist auch seine Erklärung dafür, dass die durchschnittliche Betriebs­zugehörigkeit bei SSP Deutschland bei zehn Jahren liege.

Ist es dann das System, das sie dazu treibt, solche Löhne zu zahlen?

Die Spur des Geldes

Laut Jahresabschluss hat SSP Deutschland 2022/2023 insgesamt rund 37,2 Millionen Euro Verlust gemacht. Das Geschäft mit den Raststätten läuft wohl derart schlecht, dass sich das Unternehmen ganz zurückziehen will. „Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen in diesem Sektor wurde Ende September 2023 die Entscheidung getroffen, die Verträge mit Autobahn Tank- und Rast GmbH zu kündigen", heißt es im SSP-Jahres­abschluss. Der größte Franchisenehmer von Tank & Rast kündigt also die Verträge auf, über 12 Prozent aller Raststätten in Deutschland verlieren bis Ende 2026 ihren Pächter. Auf RND-Anfrage teilt SSP allerdings nur mit: Die Aufgabe des Raststätten­geschäfts habe „strategische Gründe".

Von Betreiberwechseln und individuellen Potenzialen

Die Wechsel der Franchisepartner seien bereits in vollem Gange, heißt es von Tank & Rast selbst dazu. Mitarbeiter würden übernommen. „Im Zuge der Betreiberwechsel bekennt sich Tank & Rast klar zu mittel­ständischen Pächtern." Statt großer Firmen wie SSP oder der italienischen Autogrill, die einst mit einem deutschen Ableger auch Raststätten an den Autobahnen betrieben, sollen es nun also wieder Mittelständler richten. Deren Zahl allerdings ist in den vergangenen Jahren ebenfalls stark zurückgegangen. Von einst 300 Pächtern im Jahr 2006 sind laut Angaben von Tank & Rast beim Franchiseverband noch 78 Partner übrig.

Die Zusammenarbeit mit Tank & Rast scheint nicht sonderlich reizvoll zu sein. Pachten und Franchise­gebühren seien hoch, das hört man immer wieder in Gesprächen. Auf der Seite des deutschen Franchise­verbandes hat Tank & Rast selbst eine Gebühr von 12 Prozent zuzüglich einer Werbegebühr von 0,5 Prozent angegeben. Das sind Richtwerte. Verlässliche Zahlen gibt es nicht.

Auf Nachfrage teilt Tank & Rast mit, dass Franchise­entgelte variieren. Die orientieren sich „am individuellen Potential der Standorte", also zum Beispiel am Verkehr entlang der Ausfahrt. Grundlegend unterscheide sich das Modell auch von anderen Franchises: „Investitionen werden nahezu vollständig von Tank & Rast getragen." Die Summe aller Investitionen belaufe sich seit der Privatisierung auf mehr als 1,7 Milliarden Euro. Dadurch reduziere sich das unternehmerische Risiko für Pächter. „Dies berücksichtigen die Vertragspartner in ihren Vertragsgestaltungen."

Wenn also Autofahrer, Mitarbeiter und so mancher Pächter geschröpft werden, fährt dann wenigstens Tank & Rast ordentliche Gewinne ein?

Nicht alles Gold, was glänzt

2023 hat die Autobahn Tank & Rast Gruppe GmbH & CO. KG laut Jahresabschluss rund 681 Millionen Euro Umsatz gemacht. Fast 185 Millionen Euro kommen vor allem aus Franchisegebühren und Pachten. Mehr Geld liegt im Sprit: Mehr als die Hälfte des Umsatzes ist auf das Geschäft mit Kraftstoffen zurückzuführen.

Einem ADAC-Check zufolge ist das Tanken direkt an der Autobahn im Schnitt 40 Cent teurer pro Liter E10 oder Diesel als an der ersten Tankstelle nach einer Ausfahrt. Vier von fünf Fahrern nehmen in der Regel deswegen einer ADAC-Umfrage zufolge mittlerweile lieber einen Umweg in Kauf und fahren ab, als sich an der Raststätte mit Sprit zu versorgen. „Bei den Preisunterschieden sind auch drei Kilometer Umweg sinnvoll", sagt Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

Darum ist der Sprit so teuer:

Doch trotzdem machte Tank & Rast 2023 mehr als 252 Millionen Euro Verlust. Wesentlich sind dabei vor allem hohe Zinszahlungen an Gesellschafter. Die Schulden gegenüber verbundenen Unternehmen der Gesellschafter betrugen mehr als 2,7 Milliarden Euro.

Die Geschichte wirkt nach

Kunden zahlen für jeden Toilettengang und überteuerten Sprit, Mitarbeiter arbeiten knapp über Mindestlohn, einige Pächter und Franchisenehmer haben Probleme, wirtschaftlich zu bleiben – und Tank & Rast selbst schreibt ebenfalls Miese. Gibt es an der Autobahn nur Verlierer?

Offenbar nicht nur. Die Finanzinvestoren, darunter Fonds der Allianz oder der chinesische Staatsfonds CIC, scheinen zu profitieren. „Gerade gucken alle in die Röhre, außer die Aktionäre der großen Anteilseigner. Das ist keine Kapitalismus­kritik, sondern die nackte Wahrheit", urteilt der Soziologe Prof. Tim Engartner von der Universität zu Köln, der sich mit der Privatisierungs­geschichte von Tank & Rast auskennt. Und auch der Branchen­insider kritisiert: „Im Prinzip ist das System dafür da, die Eigentümer mit Rendite zu versorgen."

Das Geschäft selbst wirft allerdings offenbar kaum Gewinn ab für eine gute Rendite. Seitdem der bis dahin staatliche Betrieb im Jahr 1998 privatisiert wurde, ist das Unternehmen jedoch mehrfach verkauft und gekauft worden. Die Raststätten selbst wurden bei jedem Weiterverkauf teurer. Gleichzeitig stiegen die Verbindlich­keiten. Haben also manche Investoren für ihre Gewinne eine immer weitere Verschuldung von Tank & Rast in Kauf genommen? Einiges spricht laut Experten dafür.

Das bedeutete allerdings auch, dass dieses System so nicht ewig funktionieren kann. Vieles deutet daraufhin, dass das Raststättengeschäft, so wie es in Deutschland organisiert ist, wirtschaftlich kaum nachhaltig zu betreiben ist. Und manche der großen Investoren von Tank & Rast haben in der Vergangenheit einen wirtschaftlich gesunden Betrieb sogar noch weiter erschwert.

„Die Privatisierung der Autobahnraststätten war ein großer Fehler", meint deshalb Linken-Politiker Victor Perli. Er fordert, dass sie „als Teil der Daseinsvorsorge wieder in die öffentliche Hand" kommen – zumindest langfristig. „Alle Verkehrs- und Wirtschaftsminister haben sich in den letzten Jahren weggeduckt, und die für den Verbraucherschutz zuständigen Behörden wollen oder sollen sich nicht mit Tank & Rast anlegen." Gleichzeitig fordert er, dass sich die Bundesregierung auch mit „den Mitteln des Kartellrechts dagegen für die Bürger" einsetze.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hält von derartigen Vorschlägen zur Verstaatlichung offenbar wenig. Sein Ministerium teilt auf RND-Anfrage mit, dass es weder auf Produktauswahl noch Preisgestaltung Einfluss habe. Grundsätzlich aber hält sein Haus das System offenbar für tauglich. „Die Erwartungen, die mit der Privatisierung verbunden waren, insbesondere hinsichtlich der Verbesserung der Qualität des Waren- und Dienstleistungsangebotes für die Nutzer der Bundesautobahnen, haben sich erfüllt", heißt es vom Verkehrs­ministerium in Berlin.

Andere staatliche Stellen sehen das deutlich nüchterner. Die Politik habe 1998 Tatsachen geschaffen, die einen funktionierenden Wettbewerb sehr erschweren, heißt es etwa beim Bundeskartellamt. „Angesichts der Strukturen und Mechanismen, die wir auf dem Markt nach der Konzessionsvergabe vorgefunden haben, ist es daher auch nicht gerade einfach, Marktzutritts­chancen zu eröffnen, um es einmal ganz vorsichtig zu formulieren", erklärt Präsident Andreas Mundt.

Das Kochinstrument der Wahl: die Mikrowelle.

Quelle: Sebastian May

Die drei Trucker in Fuchsberg Süd lösen das Problem auf ihre Weise. Der Ältere deutet auf eine Klappe neben der Beifahrertür der Zugmaschine und öffnet sie. Dahinter versteckt sich: eine Mikrowelle. Die Fertiggerichte dafür kauft er im Supermarkt. Ist deutlich günstiger als an der Raststätte. Und schmeckt nicht mal unbedingt schlechter.