So haben wir in diesem Jahrzehnt die Welt verändert | Tagesspiegel


So haben wir in diesem Jahrzehnt die Welt verändert

Verkehr, Vernetzung, Klima. Das sind die wichtigsten messbaren Veränderungen der 2010er.

Ein Wort trifft die endende Dekade besonders gut: Anthropozän. Der Begriff wird seit 2008 weltweit immer prominenter von Geologen diskutiert. Er soll eine neue Epoche beschreiben, in die die Erde eingetreten ist. In diesem Erdzeitalter ist der Mensch nicht mehr in die Natur eingebettet, sondern formt sie um – stärker und schneller als alle Naturkräfte es könnten. Normalerweise wird die Dauer geologischer Epochen in Jahrmillionen angegeben. Für diesen Epochenwandel brauchten die Menschen gerade einmal die 170 Jahre seit Beginn der Industrialisierung. Das Wort „Anthropozän" erlebt in den vergangenen zehn Jahren eine beachtliche Karriere. Weltweit wird es jedes Jahr häufiger auf Google gesucht, in Deutschland am häufigsten in Berlin.

Darauf sind wir gestoßen, als wir in den vergangenen Wochen hunderte Datensätze durchforstet haben. Jetzt, da wir am Rand zu 2020 stehen, wollten wir in Fakten fassen, was sich in dieser Dekade eigentlich verändert hat, wollten wissen, ob man dieses vage Gefühl der Beschleunigung mit belegbaren Trends erklären kann. Und was uns das für die nächste Dekade sagt.

I – Die neue Kommunikation

Klimawandel, Globalisierung und Bevölkerungswachstum sind keine neuen Phänomene der 2010er-Jahre. Neu ist, dass wir uns live dabei zuschauen können, wie wir die Welt umbauen. Weil wir uns inzwischen mit einer ganzen Armada an Satelliten, Sensoren und Messtationen selbst beobachten. Und weil der Datenstrom dieser Instrumente immer mehr Menschen zur Verfügung steht. Der Grund dafür ist die Entwicklung des Internets. Sie ist die größte Wandlung in der Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren. 2010 hatten weltweit gut 30 Prozent der Haushalte Zugang zum Internet. Ende 2019 sind es laut der International Telecommunication Union schon 57 Prozent.

Die Smartphones
Die Zahl der mobilen Breitbandverträge hat sich in zehn Jahren verzehnfacht.
Daten: ITU

Möglich wurde die allgegenwärtige Vernetzung durch die Erfüllung der Vision der Apple-Gründer: Ein Computer, den jeder und jede im Alltag ständig nutzen kann. In den vergangenen zehn Jahren stellte sich heraus, dass diese Computer nicht Laptops, PCs oder Tablets sein werden, sondern Smartphones. 2010 wurden knapp 300 Millionen davon weltweit verkauft, seit 2017 werden jedes Jahr über 1,5 Milliarden verkauft. So wurde Apple zur wertvollsten Firma auf dem Globus. Und dank dieser Technik hat die Mehrheit der Bevölkerung Zugang zum Internet und damit auch zu einer immer schneller wachsenden Menge an Informationen.

Das hat fundamental die Art umgekrempelt, wie wir uns miteinander austauschen:

Die Mails
Die Zahl der E-Mails in Deutschland hat sich nahezu vervierfacht.
Zahl der Mails pro Jahr ohne Spam, ab 2019 Prognose.
Daten: Statista; Web.de; GMX; ARD; ZDF; The Radicati Group
Die Briefe
Briefe werden trotzdem nur leicht weniger verschickt.
Zahl der jährlich versendeten Briefe in Deutschland. Ab 2016 Prognosen.
Daten: Bundesnetzagentur - Jahresbericht 2018
Die Pakete
Die Zahl der Pakete steigt durch den Online-Handel Jahr für Jahr weiter an.
Zahl der versendeten Pakete in Deutschland. Ab 2018 Prognose.
Daten: BIEK/ KEP-Studie 2019

Noch zu Beginn des Jahrtausends dachten einige, die Kommunikationsgesellschaft könnte zu einer Art Entmaterialisierung führen. Also dazu, dass wir weniger physische Güter bewegen. Wir könnten dann ja jeden Ort der Welt vom heimischen Sofa aus betrachten.

Das Gegenteil ist eingetreten. Das Internet treibt den Güterverkehr weiter an. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes ist der Umsatz des Online- und Versandhandels in Deutschland seit 2015 höher als der des Einzelhandels in Verkaufsräumen – und steigt weiter an.

Das wohl größte Massenphänomen der vergangenen zehn Jahre ist Social Media. Was manchmal so wirkt, als gehe es schon wieder vorbei, ist erst in den 10ern wirklich zu einer dominanten Form des Miteinanders geworden.

Der Aufstieg von Social Media
Das derzeit erfolgreichste Soziale Netzwerk Tiktok brauchte nur zwei Jahre, um eine Milliarde Nutzer zu erreichen.
Facebook
Instagram
MySpace
Reddit
TikTok
Tumblr
Twitter
WeChat
WhatsApp
YouTube
Hier können Sie filtern
Angegeben werden monatlich aktive Nutzer je Jahr.
Daten: Statista

Mit den sozialen Netzwerke entwickelten sich neue Arten des Sprechens – und des Humors. Die Memes zum Beispiel. Das Merriam-Webster Dictionary definiert sie als „amüsanten oder interessanten Beitrag, […] oder ein Genre von Gegenständen, das online vor allem über soziale Medien weit verbreitet ist." In den 10ern kamen zu statischen Bildern und lustigen Sprüchen die Gifs, kurze Bildfolgen. Heute sind sie fester Teil der meisten Messenger wie Whatsapp und Co. 2010 waren sie noch wenig verbreitet.

Die beliebtesten GIFs der 10er-Jahre
2010
Wählen Sie hier ein Jahr
Das beliebsteste Gif aus dem Jahr 2010 stammt von der Webseite Imgur. Für die Jahre 2011 und 2012 wurden die Gifs mit Hilfe des Webarchives aus Reddit ausgewählt. 2013 veröffentlichte Tumblr eine Liste der beliebstesten Gifs. Ab 2014 hat Giphy eine Liste der beliebstenen Gifs veröffentlicht.

Menschen haben aber nicht nur angefangen in den sozialen Netzwerken zu spielen. Weltweit begannen Hunderttausende, sich darüber politisch zu organisieren. So wurden die ersten wirklich globalen sozialen Bewegungen geschaffen. Der arabische Frühling wurde durch Social Media befördert, die Proteste in Hongkong auch. #BlackLivesMatter, #MeeToo, #Fridays4Future werden in den Geschichtsbüchern der 2010er-Jahre stehen – beziehungsweise in den Wikipedia-Artikeln dazu. Gleichzeitig ermöglichten die Netzwerke neue Gangarten von Hass: Online-Mobbing, anonyme Hate Speech, Fake News.

Ein Missverständnis hält sich auch in dieser Dekade beständig: Die Vorstellung, „dieses Internet" sei irgendwie „virtuell", irgendwie nicht-physisch. Dabei haben diese Dekade besonders gezeigt, wie massiv die Welt umgebaut werden muss, um alle zu vernetzen:

Die ganzen Daten brauchen nicht nur Wege. Sie brauchen auch Lagerhallen, Knotenpunkte, Ausfahrten. 2019 soll die Gesamtfläche der Rechenzentren in Frankfurt 600.000 Quadratmeter betragen. Dort befindet sich DE-CIX, der größte Internetknoten der Welt. In dutzenden Serverparks werden dort Daten zusammengefasst, bevor sie beispielsweise über die Niederlande, Frankreich oder Spanien in die Unterseekabel Richtung Amerika weitergeleitet werden. Diese Technik ermöglicht eine Überwachung, wie sie nie zuvor möglich war. Dass wir das wissen, verdanken wir Edward Snowden, der das 2013 bewiesen hat – mit Chelsea Manning und Julian Assange wohl die prominentesten Vertreter einer neuen Gattung von Helden, die die 10er hervorgebracht haben.

Für den Datenhunger der Menschen benötigen die weltweiten Server jedes Jahr mehr Energie. So viel, dass das Internet in der nächsten Dekade zu einer der größten Emissionsursachen werden könnte. Besonders viel zusätzlicher Energieverbrauch wird durch das Wachstum beim Video-Streaming und die zunehmenden Anwendungen von Maschinellem Lernen erwartet.

II – Das neue Klima

Die Wissenschaft spricht schon seit 1972 prominent über den Klimawandel. Aber erst in diesem Jahrzehnt hat es das Thema ins Bewusstsein der Massen geschafft – und auf die politische Tagesagenda. Das liegt leider auch daran, dass die Folgen der Klimawandels inzwischen in den meisten Regionen schon spürbar sind.

Der Gletscher Briksdalsbreen verschwindet
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im Juni 2005
picture alliance / Arco Images
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im Mai 2007
imago stock&people
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im August 2008
imago images/Nature Picture Library
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im September 2009
picture alliance / Hinrich Bäsem
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im Juli 2011
picture alliance / ZB
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im August 2015
picture alliance / Hinrich Bäsem
Der Gletscher Briksdalsbreen in Norwegen im Juli 2017
picture alliance
2017

Die Gletscher gelten als weltweites Klimathermometer. Mehrere Dutzende von ihnen werden regelmäßig vermessen, indem Forschungsgruppen Löcher hineinschaufeln und Dichte und Fläche der Gletscher bestimmen. So rechnen sie aus, wie viel Wasser die Gletscher im Vergleich zum Vorjahr enthalten. Die Bilanz sieht folgendermaßen aus, wobei jede graue Linie den Wasserverlust eines einzelnen Gletschers verzeichnet:

Die Gletscher schmelzen
Die Grafik zeigt den durchschnittlichen Wasserverlust der weltweiten Referenzgletscher pro Jahr. Die blaue Linie ist der Durchschnitt aus allen beobachteten Gletschern.
Kumulativer Massenverlust der Referenzgletscher im Vergleich pro Jahr zum Referenzjahr 1987 in Meter Wasseräquivalent (m w.e.).

Auch die Durchschnittstemperatur der Meere ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Genauso die Zahl der Hitzetage und der Starkregenereignisse. Der Hauptgrund für die Erhitzung der Welt ist die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Und die stieg in den 10ern nicht nur weiter an, sondern steigt immer schneller.

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt weiter
Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre stieg in den letzten Jahrzehnten weiter an. Gut sichtbar sind auch die jährlichen Schwankungen durch die Jahreszeiten.
Die Konzentration von CO2-Molekülen in parts per million. Die horizontale Achse entspricht der CO2-Konzentration in der Atmosphäre vor der industriellen Revolution ab 1850. Da lag er bei 280 ppm.

Das CO2, das die Menschen ausstoßen, macht noch immer nur wenige Prozent der weltweiten jährlichen CO2-Emmissionen aus. Aber es stört ein komplexes Gleichgewicht. Während auf der einen Seite mehr Stoffe in die Atmosphäre gepumpt werden, wird die Waagschale auf der anderen Seite verkleinert: Die Wälder. Sie sind die wichtigsten Auffangbecken für CO2.

Inzwischen kann man die Bilder mehrerer hochauflösender Erdbeobachtungssatelliten im Internet abrufen. Sie zeigen, was mit den großen Waldgebieten der Erde passiert:

Der Amazonas wird gerodet
Entlang einer Straße in Brasilien wird das uralte Grün gefällt.
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
Der Amazonasregenwald umgibt die Stadt Novo Progresso, unweit von drei Naturschutzgebieten.
TERRA/MODIS NASA Earthdata
2015

Der Amazonas ist dabei nur das populärste Beispiel. Die bunten Tiere und heilenden Pflanzen bieten sich besonders an, um in Dokumentarfilmen dargestellt zu werden. Die Länder, in denen während dieser Dekade am allermeisten Wald gerodet wurde, sind andere:

III – Die neue Energie

Die Hauptursache für die schädlichen Klimagase ist der zunehmende Energiehunger der wachsenden Menschheit. Er wird noch immer hauptsächlich mit Öl, Kohle und Gas gestillt. In den vergangenen Jahren werden endlich in größerem Maße Alternativen umgesetzt.

Die Windenergie
Die gute Nachricht: Die Menge der erneuerbaren Energieproduktion ist explodiert. Die Windkraft nimmt besonders stark zu.
Die weltweit installierte Leistungskapazität von Windkraftanlagen pro Jahr in Gigawatt. Der Anteil an der Energieproduktion ist für das Jahr 2017 angegeben und betrifft die inländische Stromproduktion.
Die weltweite Ölproduktion
Die schlechte Nachricht: Die weltweite Förderung von Erdöl nimmt ebenfalls weiter zu.
Weltweite durchschnittliche Ölproduktion pro Tag je Jahr in tausend Barrel.

Inzwischen zeigt sich, dass es ein baldiges Ölfördermaximum, den sogenannten „Peak Oil" nicht so schnell geben wird. Das liegt vor allem daran, dass es in den vergangenen zehn Jahren enorme technische Fortschritte bei der Erschließung schwieriger Quellen wie Ölschiefer oder Tiefseevorkommen gab. BP sagt in seiner aktuellsten Studie für die nächsten Jahrzehnte eine weitere Steigerung der weltweiten Ölförderung voraus.

Die Energiequellen
Die Erzeugung erneuerbarer Energien soll rasant zunehmen. Die Förderung fossiler Brennstoffe sinkt nicht.
Wasserkraft
Nuklearenergie
Erneuerbare Energiequellen
Erdgas
Öl und andere Flüssigbrennstoffe
Kohle
Weltweite Produktion von Energie nach Primärenergiequellen pro Jahr in Gigatonnen Öl-Äquivalent. Ab 2019 Prognose.
Daten: BP Energy Outlook 2040

IV – Der neue Verkehr

Um die gigantischen Mengen an Öl und Kohle zu transportieren, werden immer mehr und immer größere Schiffe gebaut, die weltweit die Ozeane kreuzen.

Die weltweite Handelsschiffsflotte
Besonders Containerschiffe und sogenannte Massengutschiffe transportieren immer größere Mengen über die Weltmeere. Massengutfrachter transportieren vor allem Schüttgüter wie Kohle, Erze, Sand oder Zement.
Öltanker
Massengutschiffe
Stückgutschiffe
Containerschiffe
Sonstige
Angegeben ist die Tragfähigkeit der gesamten Welthandelsflotte nach Schiffstyp in Megatonnen.

Neben Energieträgern transportieren die Schiffe immer mehr Baustoffe und vor allem Konsumgüter. Zum Beispiel Autos. Deren weltweite Produktion brach nach der Finanzkrise 2009 zwar ein. Allerdings erreichte die Produktion schon ein Jahr später wieder neue Rekordzahlen.

Der weltweite Autoverkauf
Vor allem der gestiegene Wohlstand in Asien treibt die Zahl der weltweit verkauften Autos weiter an.
Die Elektroautos
In den 2010ern gewannen die Elektroautos an Fahrt. Ihr Anteil am weltweiten Absatz ist allerdings noch sehr gering.
Daten: OICA

Die größte Ausnahme in der Wirtschaftskrise bildete Deutschland. Hier nahm der Autoabsatz inmitten der Finanzkrise zu anstatt ab. Der Grund: 2009 führte die Bundesregierung die Abwrackprämie ein, auch „Umweltprämie" genannt.

Die SUVs
2013 führte das Kraftfahrtbundesamt die neue Fahrzeugkategorie „Sport Utility Vehicles" ein, besser bekannt als SUVs. Sie werden seither immer häufiger in Deutschland gekauft.
Minis
Kleinwagen
Kompaktklasse
Mittelklasse
Obere Mittelklasse
Oberklasse
SUVs
Geländewagen
Sportwagen
Vans
Utilities
Wohnmobile und Sonstige
Zahl der Neuzulassungen in Deutschland pro Jahr nach Fahrzeugkategorie

Interessanterweise stellte sich in den 10er-Jahren heraus, dass den 3-Liter-Autos vorerst kein großer Erfolg beschieden ist. Stattdessen nahm die Größe der Autos eher zu. Andere Merkmale änderten sich dagegen kaum. Fun Fact:

Je mehr die Menschen sich andere Länder online anschauen können, desto mehr wollen sie sie anscheinend auch besuchen. Noch nie bewegten sich so viele Menschen so häufig zwischen so vielen verschiedenen Ländern wie in den vergangenen zehn Jahren. Ermöglicht wurde das durch mehr Flugverbindungen als jemals zuvor.

Die Zahl der Flugpassagiere weltweit
Jedes Jahr werden mehr Strecken mit dem Flugzeug zurückgelegt.
Zahl der Flugpassagiere weltweit in Milliarden.
Daten: IATA; ICAO
Die Kreuzfahrer
Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff wird immer beliebter.
Zahl der Kreuzfahrtpassagiere pro Jahr weltweit in Millionen.
Daten: CLIA

Immer mehr Menschen können sich das Fliegen inzwischen leisten. Das liegt unter anderem daran, dass die 10er auch die Jahre der Billigairlines waren. Von Flugscham ist in den Passagierzahlen bislang nichts zu sehen. Weltweit steigt die Anzahl der Flüge und der Flugpassagiere weiterhin an. Um die gestiegende Zahl der Flugzeuge abfertigen zu können, wurden in vielen Ländern – teils in wenigen Jahren – riesige neue Flughäfen gebaut. Außer in Berlin.

Trotzdem verzeichnete auch die Hauptstadt neue Rekorde bei den Fluggastzahlen. Der liegt bei 35 Millionen Passagieren. Und wer nicht fliegt, folgt häufig einem anderen Trend der 10er: Kreuzfahrten. Zwei Dutzend weitere Hochseekreuzfahrtschiffe sollen alleine 2020 in See stechen. Die größten fassen über 5000 Passagiere und sind über 300 Meter lang.

V – Die neuen Kriege

Während die einen sich zum Vergnügen auf die Reise begaben, taten es andere aus Not. Die Welt erlebte in Echtzeit riesige Fluchtbewegungen.

Die Zahl der Geflüchteten
Aus diesen Ländern mussten laut Angaben des Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen die meisten Menschen fliehen.
Afghanistan
Sudan
Südsudan
Eritrea
Republik Kongo
Irak
Myanmar
Somalia
Syrien
Sonstige

Mit den Flüchtlingen und Merkels „Wir schaffen das" nahm auch die Propaganda der Rechten gegen Einwanderung nach Deutschland zu. Das Wort „Wirtschaftsflüchtling" hatte Konjunktur in den 10ern. Es soll nahelegen, dass Menschen „nur" nach Deutschland fliehen, weil sie mehr Geld verdienen wollen und nicht aus „echter" Not. Wie grundlegend falsch solche Hetze ist, zeigen diese Zahlen:

Die Kriegstoten
Die Grafik zeigt die Zahl der durch organisierte Waffengewalt getöteten Menschen nach Land an.
Syrien
Afghanistan
Irak
Nigeria
Pakistan
Republik Kongo
Jemen
Mexiko
Somalia
Sonstige

Um diese Fakten zu den Opfern der Kriege zusammenzutragen, durchforsten zwei Forschungsgruppen in Uppsala und Oslo alle auffindbaren Regierungs- und Medienberichte. Sie gleichen sie ab und fassen sie in einer Datenbank der Todesopfer organisierter Gewalt zusammen, egal ob der Angreifer ein Staat oder eine politisch motivierte Terrorgruppe war. Solche Erhebungen zeigen auch, dass die Zahl der Terroranschläge weltweit 2014 ein neues Hoch erreichte. Allerdings hauptsächlich in Krisengebieten selbst. In Europa lag die Zahl der Terroropfer in den 10ern weit unter den Zahlen der 70er- und 80er-Jahre.

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Jenes Institut für Friedensforschung in Oslo fasst außerdem regelmäßig zusammen, wer am meisten von den Kriegen profitiert, indem es alle belegbaren Importe und Exporte von Kriegswaffen dokumentiert. In den 10er-Jahren arbeitete sich Deutschland dabei weltweit auf den dritten Platz hoch.

Die Waffenexporteure
Diese meisten Kriegswaffen verkauft haben in den vergangenen zehn Jahren Russland, die USA und Deutschland.
USA
Russland
Deutschland
Frankreich
China
Vereinigtes Königreich
Spanien
Israel
Italien
Niederlande
Die Einheit TIV bedeutet „Trend Indicator Value". Darin werden der Verkauf neuer Waffen, gebrauchter Waffen und Komponenten von Waffensystemen preisbereinigt zusammengefasst. Mehr dazu finden Sie auf der Webseite von SIPRI.
Daten: SIPRI
Die Waffenimporteure
Die meisten Kriegswaffen gekauft haben in den vergangenen zehn Jahren Indien, Saudi-Arabien und China.
Indien
Saudi-Arabien
China
Australien
Algerien
VAE
Pakistan
Südkorea
Ägypten
USA
Die Einheit TIV bedeutet „Trend Indicator Value". Darin werden der Verkauf neuer Waffen, gebrauchter Waffen und Komponenten von Waffensystemen preisbereinigt zusammengefasst. Mehr dazu finden Sie auf der Webseite von SIPRI.
Daten: SIPRI

Vergleicht man die Zahl der Kriegsopfer allerdings über längere Zeiträume, zeigt sich, dass die Opfer bewaffneter Konflikte global über die Jahrzehnte eher abnehmen. Vor allem die Zahl der Toten pro Konflikt ist gesunken.

VI – Die neue Macht

Klimawandel, Aufrüstung und stockende Energiewende. Wenn das so weitergeht, werden die 2020er wohl düster. Das muss doch auch anders gehen. Wer könnte das ändern?

Vielleicht ja diejenigen, die am meisten Macht haben. In den jährlichen Rankings der Mächtigen von Forbes der vergangenen zehn Jahre finden sich insgesamt 22 Männer – und zwei Frauen.

Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
Forbes
2015

Vor allem an Macht gewonnen haben also diejenigen, die am erfolgreichsten Dinge und Programme für die weltweite Vernetzung bauen: Google, Apple, Microsoft und Amazon. Wenn die Probleme der Gegenwart gelöst werden sollen, müssten diese Firmen wohl einen entscheidenden Beitrag dazu leisten.

Von vielen anderen, die im vergangenen Jahrzehnt besonders an Macht gewonnen haben, ist wohl eher keine Lösung der globalen Probleme zu erwarten: Donald Trump, Boris Johnson, Wladimir Putin. Die neuen Populisten profitieren bisher anscheinend am stärksten von der Verunsicherung durch die beschleunigte Globalisierung – und nutzen die Möglichkeiten der vernetzten Kommunikation besonders effektiv, um Anhänger zu mobilisieren und Gegner zu unterdrücken.

Im Vergleich zu den massiven Erfolgen der Populisten in anderen Ländern ist der Aufstieg der AfD in Deutschland in der endenden Dekade recht mild verlaufen. Schaut man sich die Umfragewerte der größten deutschen Parteien über den Zeitraum an, fällt vor allem der nahezu kontinuierliche Abstieg der großen Volksparteien auf.

Die Sonntagsfrage
So haben sich die Umfragewerte der großen deutschen Parteien in den vergangenen zehn Jahren entwickelt. Fahren sie über die Linien, um die genauen Werte zu sehen. Über die Buttons können außerdem weitere Parteien ein- oder ausblenden.
CDU/CSU
SPD
FDP
LINKE
AfD
Sonstige
GRÜNE
PIRATEN
Forsa
Emnid

Die globalen Phänomene dieser Dekade verursachen offenbar eine Polarisierung im Wählerverhalten in Deutschland. Zwischen denen, die glauben, eine neue Abschottung, eine Rückkehr zum Nationalen könnte es mit der Globalisierung aufnehmen. Und denjenigen, die Lösungen auf den Klimawandel suchen. Davon profitieren bislang vor allem die Grünen.

Eine sehr positive Nachricht haben wir übrigens auch gefunden. Die Suche nach Lösungen für die 2020er ist erfolgsversprechend. Denn die Menschheit ist jetzt nicht nur erstmals so vernetzt, dass sie über Grenzen und Sprachbarrieren hinweg gemeinsam forschen, diskutieren und denken kann. Mit den bahnbrechenden Fortschritten bei den Anwendungen von Maschinellem Lernen und der Erforschung künstlicher Intelligenz haben wir auch immer bessere Maschinen, um mögliche Lösungswege zu berechenen.

Vor allem aber haben wir mehr Forscherinnen und Forscher als jemals zuvor. Wir werden sie brauchen.

Die Forscherinnen und Forscher
Sowohl absolut als auch anteilig entscheiden sich weltweit immer mehr Menschen, in die Forschung zu gehen. Das liegt unter anderem auch daran, dass immer mehr Frauen weltweit Zugang zu höherer Bildung haben.
Asien
Europa
Nordamerika
Lateinamerika
Afrika
Ozeanien

Team

Benedikt Brandhofer
Recherche
Benedikt Brandhofer arbeitet als UX/UI Designer für verschiedene Firmen. Er hat in zahlreichen Datenbanken recherchiert.
Katrin Cremer
Infografik
Katrin Cremer ist Artdirektorin für Digitales beim Tagesspiegel. Sie hat das Design für die Infografiken und die handgezeichneten Grafiken in diesem Artikel gestaltet.
Hendrik Lehmann
Koordination, Text & Recherche
Hendrik Lehmann leitet das Tagesspiegel Innovation Lab. Er hat das Projekt koordiniert, den Text geschrieben und in Satellitenbildern und Forschungsdatenbanken gewühlt.
David Meidinger
Recherche, Webentwicklung & Datenanalyse
David Meidinger arbeitet beim Tagesspiegel als Redakteur für Softwareentwicklung. Er hat diese Webseite und die interaktiven Grafiken programmiert.
Helena Wittlich
Recherche & Produktion
Helena Wittlich ist Redakteurin im Tagesspiegel Innovation Lab. Sie hat bei zahlreichen Organisationen Daten angefragt. Außerdem hat sie dutzende Statistiken und Gifs recherchiert und viele davon betextet.
Veröffentlicht am 29. Dezember 2019.