Le Pen, FPÖ und AfD: Rauswurf und Unterschiede sind strategisch
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Demokratie
AfD, FPÖ und Le Pen: Der Unterschied ist nicht der Rechtsextremismus
von Natascha Strobl
27. Mai 2024
Harald Vilimsky (FPÖ), Marco Zanni (Lega), Marine Le Pen (Rassemblement) und Jörg Meuthen (AfD) im Jahr 2019 bei der Gründungs-Pressekonferenz der rechtsextremen ID Group im Europaparlament (Bild: EU Parlament)
Der Rassemblement National unter Marine Le Pen möchte nicht mehr mit der AfD zusammenarbeiten. Wer das nur als Beleg für den Rechtsextremismus der AfD sieht, übersieht aber entscheidende Bruchlinien. Mittendrin sitzt auch die FPÖ. Natascha Strobl analysiert.
Die Ausrichtung der AfD ist klar: Sie ist eine rechtsextreme Partei. Sie wurde schon als rechte, neoliberale Partei mit allerlei ökonomischem Voodoo gegründet und hat einen zweimaligen Rechtsruck hinter sich. Aktuell steht der dritte an.
Man fragt sich, ob es die Person gibt, die dann noch rechter als Björn Höcke oder Maximilian Krah ist und diese in einem erneuten Rechtsruck irgendwann ausschließt. Das ist nämlich der modus operandi der AfD: Die, die die vorherige Führungsriege rausmobben, sind die Nächsten, die rausgemobbt werden.
AfD: Passendes Personal ist knapp
Das liegt auch daran, dass die AfD eine relativ junge Partei ist. Sie ist von ihrem Umfeld und Personal sehr von außen abhängig. Das macht sie anfällig für allerlei Cliquen und Leute, die ihre (einzige) Chance sehen, Karriere zu machen. Die Personaldecke ist sehr dünn, da darf man als Partei nicht wählerisch sein – vor allem, wenn man plötzlich viele Jobs zu vergeben hat. Mit dem rasanten Wachstum kann die Partei kaum Schritt halten.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich in einer Regierung gleich wieder selbst zerlegen würde. (Darauf zu setzen, wäre aber wiederum ein zu großes Risiko.)
FPÖ: Altpartei mit weniger Durchlass
Damit steht die AfD auch in einem krassen Gegensatz zur FPÖ. Die ist eine Altpartei im eigentlichen Wortsinn. Die Parteistrukturen sind gefestigt und von den eigenen, wenig ruhmreichen Regierungsauftritten hat man etwas gelernt. Die FPÖ ist als Partei auch weniger durchlässig als die AfD, ganz einfach weil sie es nicht sein muss. Die Hierarchien zwischen außerparlamentarischen Rechtsextremismus und der Partei sind klar, zumindest für die FPÖ.
Hier zeigt sich, dass zwei Parteien dieselbe strategische Ausrichtung haben, sehr unterschiedlich beschaffen sind und dementsprechend unterschiedlich agieren. Die Parteien gleichen in ihrer Ideologie einander. NS-Verharmlosung ist der FPÖ und Herbert Kickl genausowenig fremd wie aktuell der AfD und Maximillian Krah. Im EU-Wahlkampf eine SS-Diskussion aufmachen, würde die FPÖ aber aktuell wohl nicht. Sie trägt lieber mit dem üblichen Kulturkampf ihren Vorsprung ins Ziel.
Eskalation bei FPÖ und AfD
Die FPÖ – die gegen den Ausschluss der AfD aus der Europafraktion stimmte – und die AfD stehen für den maßgeblichen Flügel rechtsextremer Parteien in Europa. Sie lehnen sich stark an Russland und Ungarn an und verfolgen eine Strategie der permanenten Eskalation durch Kulturkampf und Tabubrüche. Die Sprache ist aggressiv und gewaltvoll, der Gegner "das System".
Dem gegenüber steht eine kleinere, aber potenziell erfolgreichere Gruppe: Die, die sich zumindest teilweise um Mäßigung bemühen. Ganz vorne ist Marine Le Pen mit dem „Rassemblement National". Das hat weniger mit einer inhaltlichen Läuterung, als mit dem Wahlsystem zu tun.
„Strategische Mäßigung" bei Le Pen
In Österreich und Deutschland liegt die Macht im Kanzleramt. Dort kommt man mit einer Koalition hin, braucht keine eigene Mehrheit. Le Pen will aber vor allem Frankreichs Präsidentin werden. Dieses Amt ist eines der machtvollsten unter allen Demokratien, dementsprechend entschlossen arbeitet sie daran, es zu erringen. Le Pen braucht am Weg zur Macht aber 50,01 % der Wähler:innen, die in Stichwahlen wirklich sie direkt unterstützen.
Deshalb hat Marine Le Pen sich für einen Weg der (strategischen) Mäßigung entschieden, um eben an diese Mehrheit zu kommen. Es ist die Strategie der De-Dämonisierung. Eine AfD mit SS-Sagern stört als Partner-Partei diesen Versuch. Für die Loyalität zur AfD lässt Le Pen sicherlich nicht die entscheidenden 2-3% liegen. Ihre Distanzierung von der deutschen Partei und den Ausschluss aus der gemeinsamen Europafraktion muss man also auch unter strategischen Gesichtspunkten verstehen.
Außen erstmal brav, innen extrem
Es gibt auch noch eine Mischform: Giorgia Meloni gibt sich europa- und außenpolitisch brav im europäischen Mainstream, während sie innenpolitisch (vor allem medien- und kulturpolitisch) klar zeigt, wozu eine rechtsextreme Partei fähig ist. Mit der Partei der italienischen Post-Faschistin will Le Pen nun in Europa zusammenarbeiten. (Und nicht mehr mit der genauso rechtsextremen Lega, mit der sie bisher in der gemeinsamen Fraktion ist.)
Wir sehen hier unterschiedliche strategische Ausrichtungen, die auf innen- und wahlpolitischen Überlegungen fußen. Dass eine dieser extrem rechten Parteien plötzlich ein Gewissen entdeckt hätte oder eine ideologische Wandlung vollzieht, ist hingegen unwahrscheinlich.