Körpergerüche: Warum wir stinken - Spektrum der Wissenschaft


  1. Startseite/
  2. Chemie/
  3. Aktuelle Seite:

    Körpergerüche: Warum wir stinken

Körpergerüche: Warum wir stinken

Um wie eine Leiche zu riechen, muss man nicht tot sein. Wenn wir nicht aufpassen, produzieren wir Menschen eine große Bandbreite ekliger Moleküle. Wir stellen die wichtigsten vor.
© AndreyPopov / Getty Images / iStock (Ausschnitt)

Schweiß, Pups, Mundgeruch – in so manchen Momenten sind Menschen zweifelhaften Odors. Denn unter bestimmten Umständen verströmen die Haut oder Körperöffnungen unangenehme Aromen. Derlei Ausdünstungen sind eine Nebenwirkung der mikrobiellen Körperbewohner, gelegentlich ist das Mittagessen schuld.

Was lässt sich da tun? Welche Stoffe sorgen für den Gestank? Und wie entstehen sie? Ein Überblick über die Chemie der fiesen Körpergerüche:

Achselschweiß – Buttersäure und Konsorten

Die Haut kann unappetitlich riechen, denn die verhornten Zellen an ihrer Oberfläche sind überzogen von einer Lage aus Talg und Schweiß. Solche Ausscheidungen der Drüsen unserer Haut geben unzähligen Bakterien und Pilzen Nahrung. Diese Gäste sind die eigentliche Ursache des Problems. Die Ansammlung von Mikroorganismen, unsere Hautflora, ist keineswegs schädlich, sondern im Gegenteil wichtig für die Gesundheit. Doch wenn Mikroben verdauen, was die Schweißdrüsen ausscheiden, erzeugen sie kleine Moleküle.

Das passiert am schnellsten in den Achselhöhlen, weil Bakterien hier besonders gute Bedingungen vorfinden. Etwa eine halbe bis über eine Million Bakterien pro Quadratzentimeter leben laut verschiedenen Untersuchungen dort; wenn man ein Deo benutzt, sind es weniger. Die Organismen bauen die Fette des Talgs und die Aminosäure der Schweißproteine zu kleineren Molekülen ab. Dabei entstehen viele unterschiedliche organische Säuren, die sich in ihrer chemischen Struktur unterscheiden. Die kleinsten dieser Moleküle, zum Beispiel Buttersäure oder Ameisensäure, riechen besonders stechend schweißig.

Aber der Geruch von Achselschweiß ist nicht nur schweißig. Für die unterschiedlichen Nuancen, die auch darüber bestimmen, wen wir »riechen können«, sind etwas größere Moleküle wichtiger. Diese Stoffe entstehen nicht aus den Fettsäuren, sondern aus Vorläufersubstanzen, die in den Schweißdrüsen gebildet werden. In ihnen sind die Geruchsmoleküle an Aminosäuren gebunden; Bakterien setzen sie frei.

Zum Beispiel Hexansäure und trans-3-Methyl-2-hexensäure, die nach Ziege riechen, oder die chemisch mit Letzterer eng verwandte 3-Hydroxy-3-methylhexansäure, deren Geruch als würzig und süß beschrieben wird. Zu den würzigen Gerüchen im Schweiß gehören auch die Schwefelverbindungen 3-Methyl-3-sulfanylhexan-1-ol, das zwiebelartig riecht, und das 3-Sulfanylhexan-1-ol, das Wein eine grapefruitartige Note verleihen kann.

Wenn man nach ein paar ungewaschenen Tagen oder Wochen, ob auf Polarexpedition oder im Lockdown, deutlich muffig oder nach Urin riecht, sind unsere Hautbakterien unschuldig. Er kommt von verschiedenen Steroiden, welche ebenfalls die Schweißdrüsen abgeben, zum Beispiel Androsteronsulfat oder Androstenon, das bei Schweinen als Sexpheromon funktioniert.

Isovaleriansäure lässt Füße käsig duften

Die meisten Schweißdrüsen sitzen allerdings nicht in der Achselhöhle, sondern an den Fußsohlen. Damit haben Füße ein besonders großes Potenzial für eigenwillige Düfte, das noch verstärkt wird durch eng anliegende Strümpfe und Schuhe, die Bakterien ein freundliches Klima bieten. Das entscheidende Molekül für den berüchtigten Stinkefuß ist vermutlich die Isovaleriansäure. Sie findet sich allein bei Menschen mit intensivem Fußgeruch, bei anderen nicht. Geruchsstifter sind erneut spezielle Mikroorganismen: Nur wenn Staphylococcus epidermidis und Bacillus subtilis in der Hautflora der Fußsohlen ansässig sind, riecht es käsig. Diese Bakterien bauen die Aminosäure Leucin zu der fatalen Isovaleriansäure ab.

Zwar ist Fußgeruch weniger komplex zusammengesetzt als der Geruch des Achselschweißes. Doch die Isovaleriansäure macht noch keinen Käsefuß. Für den olfaktorischen Reiz braucht es zusätzlich Propansäure sowie einige schwefelhaltige Verbindungen, darunter Methanthiol, ein Gas, das nach verfaultem Gemüse riecht. Diese Stoffe entstehen wie die Isovaleriansäure, während winzige Organismen fleißig Aminosäuren zerlegen.

Cadaverin + Putrescein + Skatol = Mundgeruch

Die Schwefelverbindung Methanthiol findet sich nicht nur am Fuß, sondern auch in der Mundhöhle. Sie entsteht, wenn Bakterien Aminosäuren zersetzen und sorgt für intensiven Mundgeruch – ein Problem, das bis zu ein Viertel der Menschheit betrifft und mit steigendem Alter zunimmt. Eine weitere Komponente ist zumeist Dimethylsulfid, das ebenfalls nach verrottendem Grünzeug riecht. Diese beiden Moleküle sind die wichtigsten Bestandteile der Kakostomie, aber nicht die einzigen.

Wenn anaerobe Bakterien Proteine zersetzen, entstehen diverse schwefelhaltige Stoffe, die alle abstoßend riechen. Proteine enthalten aber außerdem sogar noch mehr Stickstoff. Entsprechend viele stickstoffhaltige Moleküle entstehen beim Abbau. Darunter tragen besonders Amine zum schlechten Atem bei – einige von ihnen kennt man von verwesenden Leichen. Cadaverin und Putrescein sorgen für die Herznote »Verwesung«, Skatol für die Basisnote »Fäkalien«.

Erwartungsgemäß trägt auch die Ernährung zum Mundgeruch bei. Nicht zuletzt Fleisch kann einen erheblich verstärkenden Effekt haben. Es steckt voller Proteine, und je mehr Proteine den Mund passieren, desto mehr Abbauprodukte entstehen. Wer sich vegetarisch ernährt, hat womöglich häufiger den angenehmeren Atem. Außer Koch oder Köchin greifen für das Seitanfilet mit Wintergemüse zum Knoblauch. Hier wirkt ebenfalls eine schwefelhaltige Verbindung: Allylmethylsulfid. Es entsteht beim Abbau der Knoblauchinhaltsstoffe und riecht – wenig überraschend – nach Knoblauch.

Etwas unerwartet dagegen ist, dass auch für den schlechten Atem nach Genuss von Kaffee eine besondere Schwefelverbindung verantwortlich ist: 3-Mercapto-3-methylbutylformat, das wegen seiner Schwefelnote ein bisschen nach Katzenurin riecht. Was uns zur nächsten Ausscheidung bringt.

Urin kann geruchlos sein – oder hart stinken

Urin von Menschen stinkt nicht so schlimm wie jener der Katzen, im Gegenteil. Wenn man genug trinkt, ist er sogar weitgehend geruchlos. Der berüchtigte Uringestank entwickelt sich vor allem dann, wenn die enthaltenen Abfallprodukte stark konzentriert sind. Urin enthält Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin – drei Moleküle, deren Funktion es ist, überschüssigen Stickstoff aus dem Körper zu schaffen. Wegen ihres hohen Stickstoffgehalts geben sie Ammoniak ab, ein stechend riechendes, in höheren Konzentrationen sogar ätzendes Gas.

Aber auch andere Geruchsstoffe kommen im Urin vor – und sie können viel über Vorgänge im Inneren des Körpers verraten. Von diversen Stoffwechselstörungen weiß man, dass sie den Uringeruch verändern: Gelangt bei Diabetes Zucker in die Ausscheidung, riecht sie süßlich. Das Fischgeruch-Syndrom ist sogar danach benannt, dass sich der fischige Aromastoff Trimethylamin im Geruch anreichert, ebenso das Ahornsirup-Syndrom, bei dem das karamellig riechende Sotolon den Urin prägt.

Doch vor allem Substanzen aus der Nahrung lassen den Harn eigenwillig riechen. Zum Beispiel Kaffee, aus dem einige Aromastoffe in den Urin gelangen – zumindest bei einem Teil der Trinkenden. Bei etwa der Hälfte der Menschen riecht der Urin anschließend angebrannt oder muffig; laut den Analysen sind dafür vor allem Guajacol (C7H8O2) und seine chemischen Verwandten verantwortlich, deren Konzentration nach dem Genuss von Kaffee deutlich ansteigt.

Den bekanntesten Einfluss auf den Urin hat allerdings Spargel – auch hier scheidet sich die Menschheit in zwei Gruppen: Jene, die nach dem Essen einen unangenehmen Geruch wahrnehmen, und jene, die es nicht tun. Ursprung des Geruchs ist die selbst geruchlose, aber schwefelhaltige Asparagusinsäure (C4H6O2S2). Der Stoffwechsel macht daraus eine Reihe wenig appetitlich riechender Abbauprodukte, darunter die bereits erwähnten Methanthiol und Dimethylsulfid.

Das könnte Sie auch interessieren: Spektrum.de Digitalpaket: Das Leben genießen

Lange war unklar, ob bei den Spargel-nicht-Riechenden bereits dieser Stoffwechselweg gestört ist, so dass sie den Ausgangsstoff nicht abbauen, oder ob ihnen der Sensor für die übel riechenden Endprodukte fehlt. Untersuchungen haben ergeben: Beides kommt vor, aber die Riechstörung ist weit häufiger.

In der Pupswolke schwebt Schwefelwasserstoff

Die aufdringlichsten und reichweitenstärksten Körpergerüche allerdings kommen aus dem Hinterende – auch hier wirken schwefelhaltige Substanzen. Der hauptsächliche Übeltäter ist Schwefelwasserstoff, den man schon in winzigsten Konzentrationen riecht und der deswegen bereits in Kleinstmengen ganze Räume verpesten kann. Zudem finden sich Methanthiol und Dimethylsulfid in der Pupswolke. Sie alle entstehen bei der Zersetzung schwefelhaltiger Aminosäuren in Proteinen durch die reiche Bakterienflora des Darms.

Allerdings machen diese Gase nur einen kleinen Teil des entweichenden Volumens aus – zum Glück. Der größte Teil der Flatulenz besteht aus verschluckter Luft und von Bakterien erzeugtem Kohlendioxid. Bei etwa einem Drittel der Menschen entsteht außerdem Methan. Ursprung dieser Gasentwicklung sind schwer verdauliche Anteile der Nahrung, die den Dünndarm unverdaut passieren. Bakterien im Dickdarm jedoch können sich von ihnen ernähren – und setzen dabei Gase frei.

Entsprechend bringt ballaststoffreiche Nahrung, zum Beispiel Hülsenfrüchte, mehr Gas hervor als leicht verdauliche Lebensmittel wie weißes Brot. Das Problem betrifft allgemein Nahrungsmittel, die für Menschen unverdauliche Kohlenhydrate enthalten. Laktoseintoleranz zum Beispiel entsteht dadurch, dass der Milchzucker nicht verdaut wird, sondern den Bakterien des Dickdarms Nahrung liefert, was zu den unangenehmen Symptomen führt. Es ist aber keineswegs zwangsläufig, dass Darmgase stinken. Tatsächlich produzieren weniger als die Hälfte aller Menschen die unangenehmen schwefligen Gerüche, und oft auch nur, wenn sie ungewöhnlich schwefelhaltige Nahrung gegessen haben, darunter viele Kohlsorten sowie Fleisch, Eier, Milchprodukte, Knoblauch und Zwiebeln.

Diesen Artikel empfehlen:
Lars Fischer
Lars Fischer ist Chemiker und Redakteur bei »Spektrum.de«.