Klimafaktenleugner - Der Zweifler bleibt


KlimafaktenleugnerDer Zweifler bleibt

Unangenehme Erkenntnisse brauchen Zeit sich durchzusetzen. Doch spätestens, wenn die Zeichen offensichtlich sind, sollten die Zweifler leiser werden. Beim Klimawandel ist das Gegenteil der Fall. Obwohl ihre Argumente längst widerlegt sind, gewinnen die Klimafaktenleugner an Einfluss – warum?

Von Sophie Stigler und Volker Mrasek

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Wenn die Prognosen von Klimawissenschaftlern zutreffen, haben die Einwohner der Malediven ein existenzielles Problem. Wenn die Prognosen von „Klimaskeptikern" zutreffen, nicht. Wer hat recht? (imago / OceanPhoto)
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Sophie Stigler: Es gibt Themen, da denkt man sich: Warum muss ich mich damit eigentlich noch befassen? Hatten wir das nicht längst geklärt? Ja, anscheinend müssen wir da nochmal drüber reden: Dass der Mensch unsere Erde gerade massiv erwärmt, das ist noch nicht bei allen angekommen. Mein Kollege Volker Mrasek berichtet schon seit rund 30 Jahren über Klimathemen. Volker, was hat sich in dieser Zeit verändert, was beobachtest Du?

Volker Mrasek: Zunächst einmal, dass sich die globale Erwärmung in dieser Zeit ungebremst fortgesetzt hat: Jedes Jahrzehnt war wärmer als das vorhergehende – es gibt heute viel mehr Beobachtungsdaten, die diese Erwärmung belegen. Auch der Wissensstand ist natürlich heute größer, wobei man auch sagen muss, es gibt immer noch Unsicherheiten, etwa was die Wirkung von Schwebstaubpartikeln in der Atmosphäre betrifft oder die von Wolken. Aber das ändert aber nichts an der grundlegenden Erkenntnis der Klimawissenschaft: Die Hauptursache der Erwärmung ist der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid. Das hat Klimaskeptiker oder Klimawandel-Leugner aber nie – und bis heute nicht – davon abgehalten, das alles als Unsinn abzutun oder als nicht so schlimm. Und tatsächlich beobachten wir hier sogar eine diametrale Entwicklung: Der politische Einfluss dieser Leute ist sogar noch gewachsen – nicht nur in den USA.

Stigler: In den USA – das ist sozusagen das Extrembeispiel – da sitzt ein Präsident im Weißen Haus, der gerne auch mal die gesamte Erderwärmung leugnet. In Deutschland sind Stimmen gegen den wissenschaftlichen Konsens leiser, und sie kommen eher vom Spielfeldrand als vom Schiedsrichter. Aber sie werden lauter, die Netzwerke werden größer. Warum gibt es diese Stimmen eigentlich immer noch? Warum stellen sich zum Teil auch Wissenschaftler hin und sagen Dinge wie: „Ja, das sagen zwar so gut wie alle Klimafachleute – aber die haben alle unrecht, ich weiß es besser. Obwohl ich kein Klimaexperte oder Expertin bin." Warum?

Fünf Sätze, zwanzig Worte zum Klimawandel. (https://www.deutsches-klima-konsortium.de/)

Eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse zu Klimawandel und Erderwärmung ist nachzulesen auf der Website Basisfakten zum Klimawandel, die das Deutsche Klimakonsortium erstellt hat. Sie entspricht dem Erkenntnisstand der überwältigenden Mehrheit aller mit dem Thema befassten Experten und Expertinnen. „Alternative" Gegenmeinungen zu diesen Kernfakten stammen erstens überwiegend von Personen mit nicht ausgewiesener Fachexpertise. Und zum zweiten handelt es sich – trotz der gelegentlich erzielten Öffentlichkeitswirkung – um klare Minderheitsmeinungen. Der – laut überwältigender Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fachexpertise – eingetretene „menschgemachte" Klimawandel hat bereits konkrete Auswirkungen auf Wetterphänomene.

„Unerwünschte Wahrheiten"?

Stigler: Jetzt ist ein neues Buch erschienen, „Unerwünschte Wahrheiten" heißt das – und es wird vermutlich auch von einigen Leuten gekauft werden. Wir nehmen das zum Anlass, noch einmal auf die ganze Szene zu schauen. Im Buch steht übrigens nicht, es gebe keinen Klimawandel. Sondern: Ja, die Erde erwärmt sich; ja, unsere Kohlendioxid-Emissionen sind mit Schuld und müssen gesenkt werden, aber: ihre Wirkung werde überschätzt und wir hätten eigentlich noch Zeit, in aller Ruhe unsere Industrie umzustellen. Die Autoren heißen Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning.

Fritz Vahrenholt, promovierter Chemiker, in den 1990er Jahren Umweltsenator für die SPD in Hamburg. Wechsel in die Energiewirtschaft, zuerst zur deutschen Tochter des Öl- und Gaskonzerns Shell, dann als Vorstandschef zu einem Windkraftanlagen-Hersteller. 2001 sagte Vahrenholt: „Wer jetzt die Klimabedrohung ernst nimmt, wird langfristig einen Riesenvorsprung vor seinen Wettbewerbern haben" Danach zur Ökostromsparte von RWE. Nach seinem Ausstieg dort der Wandel: Als Vorstand der „Deutschen Wildtier Stiftung" kämpft Vahrenholt gegen Windräder an Land – etwa mit einem Werbespot, der durch Wälder walzende Rodungstrupps und zu Boden fliegende Federn zeigt: „In deutschen Wäldern sterben jedes Jahr tausende Fledermäuse und Vögel durch Windenergieanlagen."

2019 wird Vahrenholt von der „Deutschen Wildtier Stiftung" wegen seiner Ansichten zum Klima entlassen. Er war viele Jahre Honorarprofessor für Chemie an der Universität Hamburg, ist jetzt aber im Ruhestand.

Sebastian Lüning, Geowissenschaftler, hat mehrere Jahre in der Forschung gearbeitet, seit vielen Jahren aber in der Energiewirtschaft, und zwar bei der Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen (in Afrika und Südamerika). Mit dem Klimawandel beschäftigt er sich nach eigenen Angaben ausschließlich privat. Er tritt regelmäßig auf Konferenzen von klimawandelskeptischen Gruppen auf, etwa des US-amerikanischen Heartland Institute. Dort sagt er zum Beispiel: „Unsere Prognose lautet: Ja, wir werden viel weniger Erwärmung haben, und daher werden wir viel mehr Zeit haben."

Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning haben 2012 schon zusammen das Buch „Die kalte Sonne" veröffentlicht, in dem sie argumentieren, die Sonne habe einen größeren Einfluss auf die aktuelle Erderwärmung als Kohlendioxid-Emissionen.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war 2007 Chef der RWE Innogy (imago stock&people)

Klimamodelle zu unsicher, Klimawissenschaft politisch gesteuert?

Stigler: Wir haben ja viel über Begriffe diskutiert – „Klimaleugner" ist streng genommen Unsinn, weil das Klima ist ja da, das leugnet auch keiner. Aber weil man irgendein Wort braucht, sagen wir hier manchmal „Klimafaktenleugner" – gemeint sind Menschen, die Falsches zum Klimawandel behaupten, wirklich gut belegte Aspekte leugnen und diejenigen, die sich zwar auf anerkannte Fakten stützen, die aber selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen zitieren. Wenn wir jetzt auf Vahrenholts und Lünings Buch schauen, greifen die ja die Klimaforschung an vielen Fronten an: Erderwärmung ok, aber die Klimamodelle seien zu unsicher und lückenhaft, außerdem sei Klimawissenschaft politisch gesteuert, um einen Industriewandel zu erzwingen. Kann man sagen, das ist Klimafaktenleugnen light – wie Schokopudding light?

Mrasek: Nein! Das ist das typische Repertoire! Das tragen Klimaskeptiker ja wie eine Monstranz vor sich her: Der Weltklimarat ist voreingenommen und alarmistisch, der ignoriere kritische Studien ja grundsätzlich, und die Klimamodelle, die taugten gar nicht für langfristige Prognosen. Von solchen Leuten wird man nie hören, dass die Modelle immer besser geworden sind oder die Beobachtungen immer genauer. Das ist im neuen Buch von Vahrenholt und Lüning unverändert, dieses Bashing der etablierten Klimawissenschaft.

Stigler: Wenn man Fritz Vahrenholt fragt – und das haben wir für diese Sendung gemacht, dann distanziert er sich durchaus von Leuten, die die Erderwärmung ganz abstreiten.

„Den Klimawandel zu leugnen, ist völliger Unfug. Sie finden ja in meinem Buch auch die Hinweise, dass wir feststellen müssen, dass seit 150 Jahren eine Erwärmung um 1,1 Grad Celsius festzustellen ist. Insofern geht es doch darum, herauszufinden, wie groß ist der Anteil natürlicher Erwärmung und wie groß ist der Anteil, den der Mensch zu verantworten hat. Das ist die spannende Frage."

Prognoseszenario aus „Die kalte Sonne" ist nicht eingetreten

Vahrenholt meint, CO2 erwärme die Erde viel weniger als die Klimaforschung meint; CO2 und natürliche Faktoren wie die Sonne etwa verursachten die Erwärmung etwa im Verhältnis 50:50.

„Das bedeutet, Sie haben doppelt so viel Zeit zu handeln."

Mrasek: Das wäre schön! Es steht nur in völligem Widerspruch zu dem, was uns etablierte Klimaforscher und Beobachtungsdaten sagen: Die Erwärmungsrate hat sich ja zuletzt deutlich beschleunigt, sie liegt im Augenblick bei fast 0,2° pro Jahrzehnt – übrigens ohne dass die Sonne in irgendeiner Form ihre Aktivität erhöht hätte. Und wenn das so weitergeht, sind die 1,5-Grad aus dem Pariser Klimaprotokoll schon in zwei Jahrzehnten erreicht. Und das ist ja die Schwelle, die die Staaten der Erde nicht überschreiten wollen, um keine zu hohen Klimarisiken einzugehen. Also eines haben wir bestimmt nicht: Zeit!

Dossier: Klimakrise (Sean Gallup / Getty Images)

Stigler: Ich habe eine Stunde mit Herrn Vahrenholt diskutiert – das ganze Gespräch würde jetzt den Rahmen der Sendung sprengen, aber ich würde gerne auf ein paar Punkte näher eingehen, einfach, weil sie immer wiederkommen. Einer davon: die Sonne sei ganz stark mitverantwortlich für die Erwärmung der vergangenen Jahrzehnte.

Mrasek: Ja, das Problem an dieser These ist nur, und darauf verweisen Klimaforscher auch immer wieder: Die Erdatmosphäre erwärmt sich seit etwa 50 Jahren kontinuierlich; wenn es die Sonne wäre, müsste deren Aktivität ja auch ständig gestiegen sein – das ist sie aber nicht! Zuletzt war sie sogar in einem besonders schwach ausgeprägten Aktivitätszyklus, der immer 22 Jahre dauert; das passt also gar nicht zusammen! Interessanterweise hatten Vahrenholt und Lüning ihr vorhergehendes Buch „Die kalte Sonne" genannt und da 2012 behauptet: Eben weil die Sonne schwächelt, werde die Atmosphäre in Kürze in eine Abkühlungsphase eintreten. Wir wissen alle, was tatsächlich geschehen ist: Es gab seither eine Häufung von Rekord-Wärmejahren. Wie stark Vahrenholt und Lüning mit ihrer Prognose danebenlagen, kann man z.B. bei Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung nachlesen, in einem Blog im Internet.

Fritz Vahrenholt dazu: „Ja. Das ist eine Kritik, der wir uns auch stellen müssen. Wir haben gesagt, es wird eine Seitwärtsbewegung geben und die starke Erwärmung, die uns die Klimamodelle vorhersagen, wird in eine leichte Erwärmung gehen."

Welche Rolle spielen „El Niño" und „La Niña"?

Stigler: Vahrenholt sagt jedenfalls, dass die globalen Temperaturen in den Jahren nach der Bucherscheinung im Gegenteil rasant gestiegen sind, das liege an der Meeresströmung El Niño.

„Das konnten wir nicht vorhersehen. Und es ist auch völlig nebensächlich. Denn Klima heißt am Ende, einen Zeitraum von 30 Jahren abzubilden; und dass man dann einen Huckel von drei, vier Jahren, den man nicht voraussehen konnte, zum Anlass nimmt, die Autoren zu kritisieren, zeigt mir, dass man es hier nicht mit einer wirklich seriösen Auseinandersetzung zu tun hat."

Mrasek: Das ist nun echt ein Treppenwitz! Es gab von 1998 bis 2010 ein „Erwärmungsplateau", da ist die globale Mitteltemperatur vorübergehend nicht mehr weiter gestiegen, das ist sie erst wieder nach 2010, dann aber so richtig – und da waren es die Klimaskeptiker, die sich um diese 30 Jahre überhaupt nicht geschert haben und laut riefen: Die globale Erwärmung ist ja vorbei! Das ist absolut kritikwürdig. Und zum El Niño noch kurz: Das ist eine natürliche Warmphase im tropischen Pazifik – wenn die herrscht, ist auch die Weltmitteltemperatur erhöht, das stimmt. Aber zum einen hält ein solcher El Niño immer nur ein, zwei Jahre an, und zum zweiten: Zu den wärmsten Jahren der jüngsten Vergangenheit zählen inzwischen auch La-Niña-Jahre, also Jahre mit einer Kaltphase im tropischen Pazifik – weil eben die Wirkung der Treibhausgase inzwischen so dominant ist.

„CO2 halbieren reicht" beruht auf fragwürdigen Annahmen

Stigler: Volker, sind denn im neuen Buch auch neue Argumente drin, Überraschungen?

Mrasek: Ja, überraschend ist die Aussage, dass wir unsere CO2-Emissionen nur halbieren müssten und nicht etwa runter auf Null bringen – das wäre ja schön, ist aber leider nicht so! Diese These beruht auf drei Annahmen, die aber nicht durch Fakten gestützt sind: Erstens: CO2 erwärmt angeblich nicht so stark wie gedacht über sogenannte Rückkopplungseffekte, der wichtigste ist die Zunahme von Wasserdampf in der Atmosphäre, das ist eben auch ein Treibhausgas. Laut Vahrenholt und Lüning gibt es immer mehr Studien, die zeigten, dass dieser indirekte Wärmeeffekt gar nicht so stark sei. Es ist nur so, dass die ganzen anderen Studien, die es gibt, einfach unerwähnt gelassen werden: Tatsächlich ist gerade erst eine Übersichtsarbeit erschienen, die bestätigt: die beste Schätzung ist immer noch: Wenn man das CO2 verdoppelt, dann kriegen wir eine Erwärmung von 2,6 bis 3,9 Grad Celsius.
Die zweite Annahme bei dieser Argumentation: Ozeane und Landvegetation werden in Zukunft immer mehr CO2 aus der Luft aufnehmen – darauf kommen wir später noch. Der dritte Punkt: CO2 soll gar nicht so lange in der Atmosphäre bleiben, wie man immer hört, also kürzere Verweilzeiten haben, viel kürzere. Zu dieser Behauptung haben sich im Vorfeld bereits Forscher vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg geäußert, die sagen: Vahrenholt und Lüning hätten da Dinge aus Studien falsch abgeleitet, es sei völlig unzulässig, solche kurzen Verweildauern anzunehmen.

Rosinenpickerei und Fehler beim Studien-Zitieren

Stigler: In dem 350-Seiten-Buch sind auch enorm viele Literaturverweise, und zwar viele zu echten Klimastudien aus Fachzeitschriften – da hat man sich auf jeden Fall Mühe gegeben, dass es wissenschaftlich aussieht. Frage ist: Ist es das auch?

Mrasek: Die Literaturliste ist in der Tat beeindruckend, aber das war sie auch schon beim Vorgängermodell, bei der „Kalten Sonne". Was durchgängig auffällt: Die Autoren betreiben das, was man „cherry picking" nennt, also Rosinenpickerei: Es werden vor allem die Studien zitiert, die ihnen bei ihrer Argumentation in den Kram passen. Natürlich ist es auch wissenswert, was anerkannte Klimaforscher dazu sagen – erst recht, wenn sie in dem Buch zitiert sind. Das gilt zum Beispiel für Jochem Marotzke; er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Hier sein Eindruck:

„Es ist die übliche Mischung aus einigen wenigen korrekt dargestellten Sachen, vielen Verdrehungen, vielen Sachen, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, und vielem, was einfach falsch ist. Insofern nichts Überraschendes. Ich hab viel Zeit damit verbracht, die Kalte Sonne damals zu lesen und ich möchte mir nicht noch einmal antun, so etwas zu lesen."

Nur ein Beispiel für einen Fehler: Vahrenholt und Lüning schreiben, dass ein einziger inaktiver Vulkan auf Island für 4% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sei – da denkt man natürlich: Was, so viel kommt aus einer einzelnen natürlichen Quelle?! Schaut man sich dann die zugrundeliegende Studie an, dann steht da wirklich: Der Vulkan ist bloß für 4% der CO2-Emissionen aller inaktiven Vulkane verantwortlich, das ist also eine völlig vernachlässigbare Menge.

Neugepflanzte Bäume holen CO2 aus der Luft – die Frage ist nur, ob Aufforstungen im benötigten Ausmaß realistisch sind (picture alliance / CHROMORANGE / Manfred Dietsch)

Massives Aufforsten als Lösung für das CO2-Problem?

Stigler: Noch ein Punkt auf meiner Liste, den ich gerne ansprechen würde: die Rolle der Pflanzen. Vahrenholt und Lüning sind davon überzeugt, dass Bäume und andere Pflanzen immer stärker wachsen, je mehr CO2 wir in die Luft pusten – und dadurch auch mehr CO2 aus der Luft saugen.

Vahrenholt: „Die Erde ist grüner geworden. Pflanzen lieben CO2, sie wachsen besser, sie bringen bessere Früchte, viel größere Weizenerträge, alles das."

Und sie schlagen vor, noch viel mehr Bäume zu pflanzen, die dann noch mehr CO2 einlagern könnten. Aufforsten ist ja an sich eine super Sache. Aber hilft uns das auf lange Sicht gegen steigende CO2-Emissionen? Da lohnt sich ein Blick in Volkers Recherchen aus den vergangenen Monaten.* Wer in den deutschen Wald geht, dem wird relativ schnell klar, dass das alles nicht so einfach ist.


„Ein typischer Buchenbestand, aber mir viel zu licht. Das müsste viel dunkler, viel grüner sein, als es jetzt wirkt." Die Bäume haben hier, auch im Naturwald, viel zu wenig Wasser gehabt. Und wenn man dann durchläuft, wir sollten das mal machen, dann stellt man fest, dass es doch ein sehr, sehr hoher Anteil ist, die auch dann absterben."

Ein Wald in der Nähe von Göttingen, gezeichnet von den Dürren der letzten Jahre. Genauso wie viele andere.

„Die ist tot. Da kommt nichts mehr. Nächstes Jahr ist die tot. 70 Zentimeter Brusthöhendurchmesser. Schade drum! Hätte noch ohne weiteres hundert Jahre stehen können."

„Die Klimakatastrophe wird nicht stattfinden."

Ein Kernzitat aus Vahrenholt & Lüning. Ein weiteres: „Mutter Natur hält das Problem für uns in Grenzen. Je mehr Pflanzen und Bäume wachsen, desto mehr kann auch an CO2 aufgenommen werden."

Und die Realität heute?

„Bei der Buche kommt dann zum Beispiel mit dem Zunderschwamm ein Pilz, der ganz schnell Holz zersetzt. Und dann brechen sie ab und fallen um. Große, dicke, großkronige Bäume, die jetzt alle schwächeln. Wenn das jetzt alle drei Jahre auftritt oder alle fünf, dann ist das anders, als wir es bisher kannten."

Zitat, Seite 20 im Buch: „Es wird immer wieder behauptet, dass die Senken für CO2, die Ozeane und die Pflanzen, zukünftig weniger CO2 aufnehmen könnten. Dafür gibt es momentan keine Anzeichen."

Was hat ICOS dagegen festgestellt, das „Netzwerk zur Beobachtung von Treibhausgasen"? Im Dürrejahr 2018 ist die Kohlenstoffsenke in Europas Wäldern um 18 Prozent geschrumpft.

„Unter der Rinde, da ist alles abgestorben schon. Mit den Fingerkuppen kann ich die Rinde des Baumes entfernen. Das dürfte ich so gar nie können, wenn der Baum noch intakt wäre."

Die Erde werde weiterhin grüner werden, Pflanzen ihre Photosynthese-Rate weiter steigern. Kapitel 36 im Buch.

Doch was sagt die jüngste Auswertung globaler Satellitendaten zur Entwicklung der Vegetation? Alexander Winkler, Klimawissenschaftler am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg:

„Dass die Ergrünung tatsächlich schwächer wird und an manchen Orten Hot Spots von Erbraunung entstehen."

Und Ranga Myneni, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Boston:

„Wir sehen eine Zunahme der Blattfläche in mittleren und hohen Breiten. Aber in den Naturwäldern der Tropen geht sie verloren. Am Amazonas setzt der Verbraunungstrend vor allem deshalb ein, weil sich Dürren häufen. Im Kongo in Afrika ist es ein Rückgang der Niederschläge."

Ernüchternd auch eine neue Analyse archivierter Baumscheiben und Jahresringe von über hundert verschiedenen Baumarten an 70.000 Standorten auf der Erde. Bäume, die schneller wachsen, sterben demnach früher und geben dann auch ihren gespeicherten Kohlenstoff vorzeitig wieder ab. Emanuel Gloor, Professor für Biogeochemische Kreisläufe an der Universität Leeds in England:

„Momentan enthält die Atmosphäre 40 Prozent mehr CO2 als in vorindustrieller Zeit. Also kann man in der Tat ein etwas schnelleres Wachstum von Bäumen erwarten. Aber am Ende nimmt die Sterblichkeit der Bäume zu, und das hebt die Wirkung der Vegetation als zusätzliche CO2-Senke auf. Das deckt sich auch mit anderen Studien. Die Sterblichkeit in Wäldern scheint demnach in der Tat zugenommen zu haben."

„Hier stehen circa 2.500 Traubeneichen pro Hektar. Neu gepflanzt. Das wird natürlich einige Jahre dauern. Ab 30 Jahren werden dann diese Flächen eine sehr starke CO2-Fixierung aufweisen."

Was ist von der Idee zu halten, eine Billion Bäume zu pflanzen? Gut sei sie, so Vahrenholt und Lüning. Sie zitieren hier eine Studie von Forschern der ETH Zürich, wonach weltweit eine Fläche von 900 Millionen Hektar mit Bäumen bepflanzt werden könnte.

„Also, man könnte zwei Drittel aller menschgemachten Emissionen, die sich bereits in der Atmosphäre befinden, damit wieder aus der Atmosphäre zurückholen."

So damals der Ökologe Constantin Zohner, einer der Autoren. Die Studie weist allerdings nur potenzielle Waldflächen aus, im Wesentlichen früher abgeholzte Gebiete in großen Industrieländern; an erster Stelle Russland, und hier vor allem Sibirien. Nur:

„Die einzige Zugangsmöglichkeit ist quasi im Winter, wenn die Böden gefroren sind. Da kann man keine Bäume pflanzen im Winter, das ist unmöglich!"

Sagt Marcus Lindner, Leitender Wissenschaftler im Europäischen Forstinstitut in Bonn. Das ist aber nicht alles:

„Wir haben riesige Probleme mit Waldbränden in Russland. Und wenn dort eben massive Waldbrände unter diesen Klimabedingungen zu erwarten sind, dann ist das keine sinnvolle Strategie, da zu investieren in diese Richtung."

Die Autoren der Zürcher Studie lassen noch mehr außer Acht: den sogenannten Albedo-Effekt in hohen nördlichen Breiten. Wenn dort dunkle Bäume in schneebedeckte Flächen vordringen, wird weniger Sonnenlicht reflektiert. Marcus Lindner:

„Ich habe lange in Finnland gelebt. Und da hat man wirklich nachweisen können, dass dort mehr als das, was an Kohlenstoff in den Bäumen dann gebunden wird, durch diese verstärkte Erwärmung wieder quasi ausgeglichen wird." Außerdem – wenn man Bäume neu pflanzt, „dann braucht’s erstmal zehn, 20, vielleicht 25, 30 Jahre – je nachdem, wo ich bin –, bis die Bäume wirklich volle Kapazität an Kohlenstoff-Bindung erreichen."

„Wir sollten ein bisschen Abstand halten von der Maschine. Dies war noch ein geschlossener, eigentlich unser letzter geschlossener Fichtenbestand bis vor zwei bis drei Wochen. Und jetzt löst’s sich komplett auf."

An der Studie der Forscher der ETH Zürich gab es massive Kritik – auf einige der vorgebrachten Argumente sind die Studienautoren selbst eingegangen.

Dürren, Brände, Forstschädlinge, wachsende Sterblichkeitsraten – der Klimawandel macht Wäldern selbst schwer zu schaffen. Aufforstungen sind gar nicht im verheißenen Ausmaß möglich oder sinnvoll. Es wäre also fahrlässig, auf Wälder als Lösung des Problems zu setzen.


Stigler: Wobei man dazu sagen muss: Fritz Vahrenholt hat neben den Bäumen auch noch andere Ideen:

„Ich sage ja nicht, wir müssen unsere Probleme jetzt durch Baumpflanzen erledigen. Es ist ein Beitrag. Ein weiterer Beitrag ist natürlich die Entwicklung inhärent sicherer Kerntechniken."

Mrasek: Oh, da stimmt Herr Vahrenholt ja sogar mit dem Weltklimarat überein! Der sagt nämlich auch: Wir sollten die Kernenergie nicht ausschließen, wenn wir das Problem lösen wollen. Es gibt ja auch Projekte hier in Europa, in Finnland – aber eben auch große Sicherheitsbedenken und das ungelöste Atommüll-Problem. Deutschland hat sich nun einmal für einen anderen Weg entschieden: Für Erneuerbare Energieträger und jetzt auch für den Weg in die Wasserstoffwirtschaft, wo wir übrigens ein enormes technische und industrielles Know-How haben – das halten viele für den vernünftigeren Weg.

Auch der Weltklimarat schließt Atomkraft als grundsätzliche Lösung des CO2-Problems nicht aus (imago images / Peter Widmann)

Verflechtungen zwischen Energiekonzernen und „Think Tanks"

Stigler: Fritz Vahrenholt hat mir versichert, dass er nicht mehr in Diensten der Energiewirtschaft steht. Aber es ist ja schon so, dass diejenigen den Öl- und Gaskonzernen in die Karten spielen, die sagen: So dramatisch ist das alles nicht, so schnell müssen wir nicht weg von fossilen Brennstoffen. Gibt es da eine Art Symbiose, also Verflechtung, von der beide Seiten profitieren?

Mrasek: Ja, natürlich! Für die USA ist durch eine ganze Reihe von Studien mittlerweile belegt, dass es da Verflechtungen gibt zwischen den Energiekonzernen und diesen sogenannten „Think Tanks", auch finanzielle. Einer der Ersten, die auf diesem Feld geforscht haben, ist Rilay Dunlap. Er war bis vor kurzem Professor für Soziologie an der Universität von Oklahoma und gilt als Begründer der sogenannten Umweltsoziologie:

„Auf der einen Seite sehen wir die fossile Energieindustrie, motiviert durch ihre ökonomischen Interessen. Aber es arbeiten auch viele Leute für konservative Denkfabriken. Sie tun das aus ideologischen Gründen. Sie sind stramme Gläubige des Neoliberalismus: Der Markt soll alles regeln, Gesetze sind schlecht! Wir haben hier also eine Mischung aus ökonomischen und ideologischen Interessen."

Mrasek: Zu diesen konservativen Denkfabriken zählen zum Beispiel die Heritage Foundation und das Heartland Institute, oder das Cato-Institut. Man darf sich da nicht vom Namen täuschen lassen: Das sind keine Forschungsinstitute, die gehören zur „denial machine", wie Dunlap einmal gesagt hat, zur „Leugnungsmaschinerie".

„Bloß keine Einschränkungen für die Wirtschaft"

Stigler: Das sind ja immer internationale Netzwerke, die sich ihre Leute von überall holen. Sebastian Lüning z.B., der Co-Autor von „Unerwünschte Wahrheiten", war auch schon mehrfach Redner auf Veranstaltungen des Heartland Institute. Wie sehen denn die Netzwerke in Deutschland aus?

Mrasek: Da könnte man ebenfalls jemanden zitieren, der sich in seiner Forschung mit diesem Thema beschäftigt, das ist der Politikwissenschaftler Dieter Plehwe aus dem Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. Ihm fallen da zwei Organisationen ein: Einmal das „Institut für Unternehmerische Freiheit in Berlin", und dann noch EIKE , das „Europäische Zentrum für Umwelt und Energie" (ein sehr großspuriger Name!) – die richten auch Klimaskeptiker- oder Klimaleugner-Konferenzen aus, da kommen dann auch Gastredner von „Think Tanks" aus den USA. Aber die finanziellen Verflechtungen sind da laut Plehwe nicht so klar:

„Ich denke, dass es in Deutschland einfach undurchsichtiger ist, weil wir Schwierigkeiten haben, die Einflussnahme über „Think Tanks" etwa nachzuvollziehen, weil es eben für diese „Think Tanks" nicht nötig ist, ihre Geldflüsse zu offenbaren. Wir können über Personenverflechtungen manchmal etwas rausfinden, und da wird deutlich, dass es insbesondere keine aktiven Manager von entsprechenden Kohlekonzernen oder Ölkonzernen oder Verbänden sind, sondern Ex-Manager."

Stigler: Ist hier „Think Tank" eigentlich nur ein schickes Wort für Lobbygruppe?

Mrasek: Ja, das kann man sagen! Das sind Einrichtungen, die nur eines wollen oder sollen: eine wirkungsvolle Umwelt- und Klimapolitik verhindern und bloß keine Einschränkungen für die Wirtschaft, das sind große Sprachrohre des Zweifels. Und die werden auch in Europa immer lauter. Es gibt eine ganz neue Studie von spanischen und US-Autoren, die haben sich acht europäische „Think Tanks" aus der „Klima-Gegenbewegung", wie sie sagen, näher angeschaut – und kommen zu dem Schluss: Seit 2015 sind die aktiver geworden und veröffentlichen mehr, vor allem EIKE, und in fast der Hälfte aller Beiträge werde der von Menschen verursachte Klimawandel geleugnet.

Mit der AfD sitzen Klimaskeptiker im Deutschen Bundestag (dpa/Michael Kappeler)

Parteiprogramm der AfD auf Klimaskeptiker-Linie

Stigler: In Deutschland gibt es in den letzten Jahren auch einen politischen Boost.

Sylvia Kotting Uhl, Vorsitzende des Umweltausschusses des Deutschen Bundestags: „Ich begrüße die Kolleginnen und Kollegen herzlich zu unserer öffentlichen Anhörung zum zweiten Teil unserer heutigen Umweltausschusssitzung. Ich begrüße auch Mitglieder anderer Ausschüsse."

Stigler: Nämlich seitdem die AfD im Bundestag sitzt. Ein kurzer Blick ins Parteiprogramm: Kalt- und Warmzeiten gab‘s schon immer, die Erwärmung jetzt sei nichts Besonderes. Außerdem steigen Temperaturen seit den 90ern sowieso nicht; und natürlich die Pflanzen, die sich jetzt über mehr CO2 freuen, die sind auch drin. Die AfD ist also ein wunderbarer Partner für Eike und Co. Und jetzt sitzen endlich Abgeordnete im Bundestag, und dürfen im Umweltausschuss bei Anhörungen und Fachgesprächen auch Experten einladen. Lukas Köhler, FDP-Obmann im Umweltausschuss:

„Und es gibt keine Kriterien dafür, welche Expertinnen und Experten von einer Fraktion jeweils als die richtigen angesehen werden, das liegt im eigenen Ermessen."

Köhler hat sich da schon öfters gewundert, wen die AfD sich da aussucht, z.B. Horst-Joachim Lüdecke, der vor den Abgeordneten sagt:

„Also dieser ganze Hype über Klimaschutz ist völlig unnötig."

Klimafaktenleugner als „Experten" im Umweltausschuss

Auf Lüdeckes Namenskärtchen vor ihm steht noch nicht mal, zu welcher Organisation er gehört oder wie man ihn einordnen soll. Wenn da etwas stehen könnte, dann würde da wahrscheinlich „Pressesprecher von EIKE" stehen oder „Physiker mit Fachgebiet Strömungsmechanik". Was er auf der Anhörung zu CO2-Grenzwerten für Nutzfahrzeuge soll, wird erst später klar. Dazu Lukas Köhler:

„Die Diskussion, wenn ich mich richtig erinnere, lief wie auch über die Frage von Flottengrenzwerten an, welche Vorschläge es gibt. Und ich weiß noch, der Professor Lüdecke war es, der sagte dann in seinem Eingangsstatement schon, dass das eh alles nichts bringen würde, weil es keine Beweise für den menschengemachten Klimawandel gebe und wir uns deswegen unnötige volkswirtschaftliche Kosten auferlegen würden."

Horst-Joachim Lüdecke: „Sie sind daher abzulehnen. Wie auch alle anderen Ökodesign-Richtlinien der EU. Das Verkehrsproblem selbst kann mit wesentlich intelligenteren Konzepten gelöst werden als der Abschaffung des Verbrennungsmotors und damit unserer wichtigsten Industrie. Schließlich zum Klimawandel – niemand streitet den fortwährenden Klimawandel seit die Erde besteht ab. Der Schutz des Klimas und damit des Wetters ist aber unmöglich. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für einen menschgemachten Klimawandel."

Stigler: Also; alle diskutieren über ein komplexes Thema – nur einer sagt: Wir brauchen hier gar nicht zu reden, wir brauchen keine Grenzwerte und auch keinen Klimaschutz. Und das Interessante an der Anhörung ist: Alle Abgeordneten ignorieren ihn einfach – bis auf die von der AfD natürlich. Und das ist wohl nicht nur in den Anhörungen so, sagt Lukas Köhler:

„Also, ich sage mal, jeder darf seine Meinung vertreten. Aber ich habe natürlich auch das Recht, diese Meinung für mich zu bewerten. Und wenn da nichts Spannendes kommt, nichts Interessantes kommt, dann ignoriere ich das auch gerne mal."

Das führt dazu, dass die AfD mit ihren Experten spricht und die restlichen Fraktionen mit den anderen. Köhler:

„Die AfD ist raus aus dem Diskurs. Also wenn ich nicht im Diskurs teilnehmen will, muss sich nicht wundern, wenn ich dann auch nicht teilnehme."

Wenig fachliche Expertise, selbstbewusster Habitus

Stigler: Was ich mich immer wieder frage: Warum gibt es auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die meinen: „Ok, Klimaforschung ist nicht mein Gebiet, aber ich weiß es trotzdem besser als die gesamte Klimaforschungsgemeinde"? Wenn man z.B. Rednerlisten von den entsprechenden Tagungen durchguckt, sind da ab und zu Geowissenschaftler, der ein oder anderen Astrophysiker, öfter auch emeritierte Professoren. Volker, gibt es so etwas wie den typischen Klimafaktenleugner?

Mrasek: Nicht zu vergessen: Es sind durchaus auch Meteorologen darunter! Und weil es eben viele verschiedene Disziplinen sind, würde ich sagen: den typischen Klimafakten-Leugner gibt es nicht unbedingt, die Leute kommen ja aus verschiedenen auch naturwissenschaftlichen Disziplinen. Aber man hat das Gefühl: Die, die am lautesten poltern, sind in der Tat fachfremde akademische Pensionäre. Dieter Plehwe, der Berliner Politikwissenschaftler, beschreibt sie so:

„Eine Gruppe von älteren weißen Männern, die aus dem Spektrum von Ingenieurswissenschaften insbesondere kommen, also schon eine gewisse Nähe zu den Naturwissenschaften haben, aber auch keine Klimaforscher sind im eigentlichen Sinne und eben auch in diesen Bereichen nie in der akademischen Welt etwas publiziert haben oder da irgendeine Anerkennung haben. Aber eben mit einem Habitus auftreten, dass man den Eindruck hat: Die sind die absoluten Experten in dem Gebiet."

In den USA ist das wohl ganz ähnlich – allerdings treten diese Leute dort viel stärker öffentlich in Erscheinung. Riley Dunlap, der US-Umweltsoziologe, nennt einige Motive:

„Einige von ihnen haben eine Zeitlang gutes Geld verdient, andere sind von ihrer Persönlichkeit her echte Querköpfe. Und dann gibt es noch Leute, die nur eine mittelmäßige Karriere gemacht haben, jetzt aber Stars in der Welt der Leugner sind. Sie werden oft von konservativen Denkfabriken gesponsort. Man lädt sie zu Vorträgen ein, die Medien zitieren sie. Einige sind in den Filmen aufgetreten, die den Klimawandel leugnen und fühlen sich buchstäblich wie Berühmtheiten."

Sind Weltklimarat und die UN-Einrichtungen „politisch gesteuert"? (www.imago-images.de)

Glauben Klimafaktenleugner an eine globale Verschwörung?

Stigler: Natürlich kann man einzelne Studien kritisieren. Aber wenn man sowas hat wie das Deutsche Klima-Konsortium, also den Zusammenschluss von allen maßgeblichen Forschungseinrichtungen, die Klimaforschung betreiben, das sagt: „Wir, also die Menschen sind die Ursache für den aktuellen Klimawandel, das ist unstrittig." Wenn das alle Wissenschaftsvereinigungen sagen, und wenn man da sagt: „Das stimmt aber nicht", dann muss man ja irgendwie an eine Verschwörung glauben, oder?

Mrasek: Das glaube ich überhaupt nicht! Die meisten dieser Skeptiker oder Klimaschutzgegner wissen ganz genau, wie überzeugend der Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und Klimaerwärmung ist. Gegen die Gesetze der Strahlungsphysik und die Dynamik von Atmosphäre und Ozeanen kann man aber nichts machen – was also dann? Man inszeniert Kampagnen gegen den Weltklimarat und behauptet keck, das sei ja alles politisch gesteuert! Und man verbreitet munter „alternative Fakten", um die Menschen in die Irre zu führen. Dazu an dieser Stelle noch einmal der US-Soziologe Riley Dunlap:

„Das Problem ist: Die Leugner kümmert es nicht, wenn sie von etablierten Wissenschaftlern widerlegt werden. Sie legen ihre Idee eine Weile beiseite, und später kramen sie diese alten Argumente einfach wieder hervor. Sie verwerten sie immer und immer wieder – auch wenn die etablierte Wissenschaft sie vollkommen anzweifelt."

Fremde Prognose falsch interpretiert

Stigler: Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass die Prognose aus Vahrenholts und Lünings früherem Buch daneben lag – immerhin ist es ja mutig, eine Vorhersage zu machen, denn daran kann man ja auch gemessen werden, das ist überprüfbar. Diesmal gibt es, soweit ich gelesen habe, keine eigene Vorhersage, sondern Vahrenholt und Lüning beziehen sich auf andere. Fritz Vahrenholt:

„Wenn Sie dann sehen, dass die Mittelfristplanung, sagt selbst die MiKlip, das ist eine Organisation unter dem Bundesforschungsministerium, da sind alle Forschungsinstitute versammelt, die sagen: Oh, in den nächsten sieben Jahren wird’s gar nicht wärmer."

Mrasek: Also erstens ist das keine Organisation, sondern das war ein mittlerweile beendetes Forschungsprojekt – da hat man versucht, dekadische Vorhersagen hinzubekommen, also für ein Jahrzehnt im Voraus. Und zweitens stimmt es nicht, was Vahrenholt behauptet. Dieses Projekt hat Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie geleitet, das ist sein Kommentar dazu:

„Ich war verblüfft ob dieser Aussage, dass mein eigenes Vorhersagesystem ein Erwärmungsplateau erzeugen würde. Was ich sehe, ist: Wir erwarten für die nächsten zehn Jahre, dass die Dekade wärmer sein wird als die Dekade zuvor. Das erwarten wir generell, das erwarten wir auch für die meisten Regionen Europas und somit auch tendenziell für Deutschland. Aber man muss hier vorsichtig sein mit seinen Aussagen."

Fünf Kerninfos zum Klimawandel in zwanzig Worten

Stigler: Das Problem ist: Die Kritik von Klimafaktenleugnern trägt meistens nicht dazu bei, dass Dinge sinnvoll hinterfragt werden und dass die Forschung besser wird – zum Beispiel, weil die Kritikpunkte oft längst widerlegte „alte Kamellen" sind. Sondern sie verschleiert den Blick aufs Wesentliche. Wer sich dafür interessiert, für den Kern der Klimafakten, für den hat Volker eine andere Leseempfehlung.

Mrasek: Also wir haben hier etwas, ganz aktuell, nur 24 Seiten: „Was wir heute übers Klima wissen", Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind.

Stigler: Wer hat das geschrieben?

Mrasek: Dahinter stehen verschiedene Institutionen, das Deutsche Klimakonsortium, die Deutsche Meteorologische Gesellschaft, die Helmholtzgemeinschaft, und einige andere – und da gibt es fünf Kerninfos in nur zwanzig Worten: „Erstens: Der Klimawandel ist real. Zweitens: Wir sind die Ursache. Drittens: Er ist gefährlich. Viertens: Die Fachleute sind sich einig. Fünftens: Wir können noch etwas tun. Punkt."

Fünf Sätze, zwanzig Worte zum Klimawandel. (https://www.deutsches-klima-konsortium.de/)

*Anmerkung der Redaktion: Wir haben an dieser Stelle den ursprünglich leicht geglätteten Text gegen die exakte Audio-Abschrift ausgetauscht