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Weltformel: Quanten waren gestern

Seit 100 Jahren suchen Physiker nach einer Quantentheorie der Schwerkraft. Doch vielleicht kann die Gravitation in einer Weltformel so bleiben, wie sie ist – zumindest fast.
© agsandrew / Getty Images / iStock (Ausschnitt)
Ist die Raumzeit gequantelt wie der Rest des Mikrokosmos? Eine neue Theorie beantwortet diese Frage mit Nein.

Der Zufall könnte der Schlüssel zum heiligen Gral der Physik sein: zu einer Weltformel, die alle vier Grundkräfte endlich vereinigt. In den zurückliegenden Jahrzehnten brachten die klügsten Fachleute mehrere Ansätze hervor, die jedoch furchtbar kompliziert ausfielen und daher kaum brauchbare Vorhersagen lieferten. Und die wenigen theoretischen Ergebnisse, die sich unter größter Mühe herleiten ließen, können durch heutige Experimente weder belegt noch verworfen werden. Nicht einmal die leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger dringen auch nur annähernd in die Energiebereiche vor, die für eine Überprüfung nötig wären.

Das könnte sich jetzt ändern. Im Dezember 2023 hat der Physiker Jonathan Oppenheim vom University College London im Fachjournal »Physical Review X« eine radikal neue Theorie vorgestellt, welche die Gravitation mit den übrigen drei Grundkräften vereinigt. Anstatt dabei die Schwerkraft wie seine Vorgängerinnen und Vorgänger in das enge Korsett einer Quantengravitationstheorie zu schnüren, damit sie wie die übrigen Kräfte einen quantenphysikalischen Charakter erhält, hat er die klassische Natur der Gravitation beibehalten – ein Ansatz, der lange als undurchführbar galt.

Dieser Artikel ist enthalten in Spektrum – Die Woche, Wie können wir die Welt verändern?

Das bricht mit dem bisherigen Kurs der theoretischen Grundlagenforschung. Auch wenn Oppenheims Theorie durchaus spekulativ ist, hat sie einen großen Vorteil: Sie lässt sich testen, wie der Physiker zusammen mit seinen Londoner Kolleginnen und Kollegen Carlo Sparaciari, Barbara Šoda und Zachary Weller-Davies in einer bei »Nature« erschienenen Veröffentlichung zeigt. Damit könnte sich schon bald entscheiden, ob die bisherigen Bemühungen der vergangenen 100 Jahre auf dem Gebiet der Quantengravitation zum Scheitern verurteilt waren.

Um zu zeigen, dass ihm die Sache ernst ist, schloss Oppenheim bereits im Jahr 2021 eine Wette mit seinen Kollegen Geoff Penington und Carlo Rovelli ab, welche die drei Physiker vertraglich festhielten. Rovelli und Pennington wetteten 5000 zu 1, dass sich Oppenheims Theorie in Experimenten als falsch erweisen würde. Falls die Schwerkraft wider Erwarten wirklich klassisch wäre, versprachen die Wettgegner Kartoffelchips, Kugeln für ein Bällebad oder Olivenöl – über den genauen Gewinn darf Oppenheim entscheiden. Schon bald könnte sich zeigen, wer die Wette gewinnt. »Ich will meine 5000 Bälle«, sagte Oppenheim im Sommer 2023 gegenüber dem »Quanta Magazine«.

Quanten und Relativität: Revolution unseres Weltbilds

Anfang des 20. Jahrhunderts stellten zwei Theorien das physikalische Weltbild völlig auf den Kopf. 1915 veröffentlichte Albert Einstein die allgemeine Relativitätstheorie, die besagt, dass sich die Schwerkraft geometrisch auffassen lässt: Masse und Energie krümmen demnach die Raumzeit, was zu einer gravitativen Anziehung führt. Das bringt allerdings unerwartete Folgen mit sich. Zeit und Raum sind demnach keine festen Größen, sondern hängen vom Bezugssystem ab. So vergeht die Zeit in der Nähe eines sehr schweren Sterns langsamer als auf einem leichten Planeten.

Etwa gleichzeitig fand eine weitere Revolution statt, als Niels Bohr, Erwin Schrödinger, Werner Heisenberg und andere die Quantenphysik entwickelten, die das Verständnis von Materie grundlegend umkrempelte. Versuche wie das Doppelspaltexperiment belegten, dass sich quantenmechanische Objekte wie Elektronen oder Photonen in gewissen Situationen wie Teilchen und in anderen wie Wellen verhalten.

© Lookang / Doppelspalt / CC BY-SA 3.0
Doppelspalt | Wellen, die durch zwei räumlich getrennte Schlitze gelenkt werden, erzeugen Interferenzmuster auf einem Schirm.

Die Quantenphysik sorgte von Anfang an für besondere Schwierigkeiten. Sie beschrieb allerlei seltsame Phänomene wie die Überlagerung oder die Verschränkung von Objekten. Ersteres bedeutet, dass ein Teilchen mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen kann. So ist es möglich, dass sich ein Elektron im selben Moment an zwei (oder mehr) Orten aufhält. Erst wenn man es misst – so die Interpretation –, wird das Teilchen auf einen der möglichen Orte festgelegt. Die Verschränkung von Teilchen ist fast noch kurioser. In diesem Fall sind zwei (unter Umständen weit voneinander entfernte) Objekte so miteinander verbunden, dass die Messung des einen Zustands den des anderen augenblicklich festlegt. Zunächst schien diese Eigenschaft dem Grundprinzip der Relativitätstheorie zu widersprechen: Nichts kann sich schneller bewegen als das Licht. Doch wie sich herausstellt, kann durch Verschränkung keine Information übertragen werden. Problem gelöst? Zumindest fast.

Die Quantenphysik wirft noch immer viele Fragen auf, vor allem wenn es um die Deutung der beschriebenen Phänomene geht. In der Praxis scheint hingegen alles in Ordnung zu sein: Die Quantenelektrodynamik zum Beispiel, die elektromagnetische Vorgänge auf Quantenebene beschreibt, gilt als die am besten untersuchte Theorie der Welt. Die Ergebnisse von Hochpräzisionsmessungen weichen erst in der achten Nachkommastelle von den theoretischen Vorhersagen ab. Solange man also das Gerechnete nicht weiter hinterfragt, funktioniert es. Nicht umsonst lautet ein Kredo von Quantenphysikern: »Shut up and calculate!« – »Halt die Klappe und rechne!«

Der Siegeszug der Quanten reicht noch weiter. Über die Jahrzehnte gelang es, drei der vier Grundkräfte quantenmechanisch zu beschreiben und miteinander zu vereinigen. Das Standardmodell der Teilchenphysik umfasst sowohl die elektromagnetischen Wechselwirkungen als auch die starke und die schwache Kernkraft. Mit einer griffigen Formel können die Fachleute genau bestimmen, was sich auf kleinster Ebene in der Quantenwelt abspielt – zumindest theoretisch. Denn in der Praxis lassen sich die meisten Gleichungen nicht direkt lösen; man ist auf Näherungsmethoden und intensive Computerunterstützung angewiesen.

Auf großen Skalen erwiesen sich Einsteins Gleichungen indes als erfolgreich: Die Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie decken sich weitestgehend mit Beobachtungen in kosmischem Maß. Die zeitliche Entwicklung des Universums, die Ausdehnung der Raumzeit oder die Entstehung von Schwarzen Löchern lassen sich durch die Theorie erklären.

Insgesamt scheint es damit kaum ein physikalisches Phänomen zu geben, das sich der Berechnung entzieht. Bei winzigen Dimensionen, auf denen die Schwerkraft unbedeutend ist, greift man auf die Teilchenphysik zurück; im Weltraum, wo die Schwerkraft dominiert, nutzt man Einsteins Formeln. Warum also suchen Physikerinnen und Physiker so hartnäckig nach einer vereinheitlichten Theorie?

Tatsächlich gibt es – wenn auch selten – Situationen, in denen sowohl Quanteneffekte als auch die Schwerkraft eine Rolle spielen, etwa in der Nähe von Schwarzen Löchern oder im frühen Universum, als die gesamte Materie dicht aneinandergequetscht war. Nur eine Theorie, die sowohl die Quantenphysik als auch die Gravitation umfasst, kann zu einem Verständnis dieser Phänomene führen.

Eine lange, ergebnislose Reise

Kurz nach der Entwicklung der Quantenmechanik war sich die physikalische Gemeinschaft einig, dass auch die Schwerkraft zu »quantisieren« sei. Eine Quantentheorie der Gravitation sollte sie mit den übrigen drei Kräften vereinigen. Doch im Gegensatz zum Elektromagnetismus und den beiden Kernkräften entzog sich die Wechselwirkung einer quantenphysikalischen Beschreibung.

Der Grund, warum Fachleute sich so sicher waren, dass es eine Quantengravitationstheorie geben müsse, liegt in der zentralen Gleichung der allgemeinen Relativitätstheorie selbst: Dort beschreibt die linke Seite die Geometrie der Raumzeit, auf der rechten Seite taucht der »Energie-Impuls-Tensor« auf – eine Größe, die mit der Materie im Raum verbunden ist. Da sich diese wiederum durch die Quantenphysik beschreiben lässt, ist der Energie-Impuls-Tensor letztlich eine quantenmechanische Größe. Aus mathematischer Sicht müsste also auch die linke Seite der Gleichung quantenmechanischer Natur sein.

Aber nicht nur die Mathematik verlangt nach einer Quantenversion der Gravitation. Auch Laborversuche wie das Doppelspaltexperiment widersprechen auf den ersten Blick einer klassischen Schwerkraft.

© Johannes Kalliauer / Doppelspalt / CC0 1.0 (Ausschnitt)
Doppelspaltexperiment | Wenn einzelne Teilchen auf einen Doppelspalt geschossen werden, würde man auf dem dahinter befindlichen Schirm zwei Streifen als Messsignal erwarten. Doch wie sich herausstellt, entsteht dabei ein Interferenzmuster, wie man es eigentlich von Wellen erwarten würde.

Beim Doppelspaltexperiment werden einzelne Elektronen durch eine Barriere mit zwei kleinen Schlitzen geschossen. Dahinter befindet sich ein großflächiger Detektor. Wenn man lange genug wartet, entstehen auf dem Detektor nicht etwa zwei Striche, die den Positionen der beiden Schlitze in der Barriere entsprechen würden. Stattdessen findet man ein Interferenzmuster vor, wie man es von Wasserwellen kennt. Dieses Ergebnis lässt sich quantenmechanisch erklären: Das Elektron befindet sich in einem überlagerten Zustand und durchdringt wie eine Welle gleichzeitig beide Schlitze der Barriere. Hinter den Spalten überlagern sich die jeweils hindurchlaufenden Wellen. Sobald diese auf den Detektor treffen, wird die Überlagerung zerstört und das Teilchen wird an einem eindeutigen Ort detektiert – der nicht zwangsweise direkt hinter einem der beiden Schlitze liegen muss.

Wäre die Gravitation klassisch (und nicht quantisiert), dann könnte man die Schwerkraft des Teilchens während des Experiments zu jedem Zeitpunkt messen, ohne den Versuchsablauf zu stören. Auf diese Weise ließe sich genau bestimmen, durch welchen Schlitz das Teilchen geht. Nach dieser Auffassung könnte auf dem Detektor überhaupt kein Interferenzmuster entstehen.

Im Lauf der Zeit fanden Fachleute weitere Argumente, warum eine Kombination aus quantisierter Teilchenphysik und klassischer Schwerkraft nicht funktionieren könnte. So enthielten die daraus entstehenden Theorien neue Terme in der Schrödingergleichung, was überlichtschnelle Informationsübertragungen erlauben würde. All das führte dazu, dass sich die Auffassung durchsetzte, eine vereinigte Theorie aller Grundkräfte bräuchte eine quantisierte Version der Schwerkraft.

Wie sich aber herausstellte, gibt es ein Schlupfloch. Wenn die Quantentheorie und die klassische Schwerkraft durch einen zufälligen Faktor miteinander verbunden sind, verschwinden die beschriebenen unerwünschten Effekte. Die zusätzlichen Terme in der Schrödingergleichung heben sich wegen des zufälligen Faktors im Mittel auf, und auch das Doppelspaltexperiment lässt sich erklären: Aus der Messung der gravitativen Anziehung lässt sich nicht eindeutig auf den Verlauf des Teilchens schließen.

Dass Zufall der Schlüssel sein könnte, um eine vereinheitlichte Theorie aus klassischer Gravitation und Quantentheorie zu erhalten, erkannten Physiker bereits in den 1990er Jahren. Von einer vollständigen vereinigten Theorie waren sie damals jedoch noch weit entfernt.

Die Ergebnisse erfuhren nur wenig Aufmerksamkeit. Auch Oppenheim wusste nichts davon. Am Anfang seiner Forscherkarriere beschäftigte er sich mit der Stringtheorie – einem populären Ansatz, um die Schwerkraft zu quantisieren. Erst als er sich 2017 Schwarzen Löchern widmete, entdeckte er die vergessenen Arbeiten zur Vereinheitlichung der klassischen Schwerkraft und der Quantenphysik. Und so begann er, die geschilderten Ansätze weiterzuentwickeln. Mit Erfolg: In seiner aktuellen Veröffentlichung konnte er eine vollständige vereinigte physikalische Theorie entwickeln, aus der sich überprüfbare Vorhersagen ableiten lassen.

Der Zufall als Lösung

Durch das Herausbeschwören eines zufälligen Elements ist die vereinheitlichte Theorie nicht deterministisch. Das heißt: Selbst wenn man den Zustand eines Objekts und seiner Umgebung zu einem bestimmten Zeitpunkt exakt kennt, ist es unmöglich, daraus zu schließen, wie sich das System künftig entwickeln wird oder wie der Zustand in der Vergangenheit aussah. Man kann bloß Wahrscheinlichkeiten für den Verlauf angeben.

Wahrscheinlichkeiten tauchen auch in der Quantenphysik auf – doch sie unterscheiden sich grundlegend von den klassischen Wahrscheinlichkeiten etwa beim Wurf einer Münze. Grund dafür ist, dass quantenmechanische Zustände nicht direkt an Wahrscheinlichkeiten gekoppelt sind, sondern an »Amplituden«. Diese kann man sich als eine Art Pfeil vorstellen, der in eine Richtung deutet. Die Wahrscheinlichkeit für eine quantenmechanische Messung erhält man erst, indem man am Ende einer Berechnung den Pfeil mit einem anderen multipliziert und dann die Länge bestimmt. Das Ergebnis ist eine Zahl, die zwischen null und eins liegt, also eine Wahrscheinlichkeit.

Dieser komplizierte mathematische Unterbau ermöglicht es, dass in Quantensystemen Phänomene wie Überlagerungen und Verschränkungen auftauchen. Das zufällige Element hingegen, das Oppenheim in die klassische Gravitation einführt, entspricht herkömmlichen Wahrscheinlichkeiten. In diesem Bild ist es daher – im Gegensatz zur Quantengravitation – unmöglich, dass zwei Massen durch ihre gegenseitige gravitative Anziehung miteinander verschränkt sind.

Oppenheims Theorie vereint also zwei statistische Modelle, die grundverschieden sind: einerseits die seltsame Quantentheorie und andererseits eine mit zufälligen Schwankungen behaftete Gravitationstheorie. Das heißt, das Schwerefeld eines Objekts kann in dieser Theorie schwanken, gleichzeitig bleiben die quantenmechanischen Eigenheiten bestehen. So kann es sein, dass ein Teilchen mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent eine bestimmte gravitative Anziehung ausübt, während es gleichzeitig eine Überlagerung an quantenmechanischen Zuständen besitzt.

»Oppenheims Vorschlag ist radikal: Er steht im Widerspruch zu 70 Jahren anerkannter Weisheit der Grundlagenphysik«Thomas Galley, Physiker

Die zufälligen Schwankungen im gravitativen Feld haben ungewöhnliche Auswirkungen: »Die Geschwindigkeit, mit der die Zeit fließt, ändert sich willkürlich«, sagt Oppenheim gegenüber dem »Guardian«, stellt aber klar, dass die Zeit nie rückwärts laufen würde. »Es ist ziemlich abstrakt«, fügt er hinzu. »Sich das vorzustellen, ist sehr schwierig.«

»Oppenheims Vorschlag ist in gewisser Weise sehr radikal: Er steht im Widerspruch zu 70 Jahren anerkannter Weisheit der Grundlagenphysik«, schreibt der Physiker Thomas Galley vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien in einem Artikel für die »American Physical Society«. Tatsächlich bietet der neue Ansatz sogar weitere Vorteile, die über eine Vereinigung von Quantentheorie und Gravitation hinausgehen.

Unter anderem liefert Oppenheims Theorie eine Erklärung für eine der wichtigsten Fragen der Quantenphysik: Warum zerstört eine Messung einen überlagerten Zustand? Diese so genannte Dekohärenz wird in der verbreitetsten Deutung einfach als Postulat akzeptiert. Ein Messgerät ist demnach ein klassisches Objekt und erhält als solches eine gesonderte Rolle, obwohl es aus quantenmechanischen Teilchen aufgebaut ist. Wenn man jedoch annimmt, dass die Schwerkraft klassisch ist, lässt sich die Dekohärenz erklären. Demnach ist es nicht das Messgerät selbst, das zur Zerstörung der Überlagerung führt, sondern die Kopplung an dessen gravitatives Feld, das klassisch ist.

Und auch für das so genannte Informationsparadoxon Schwarzer Löcher bietet Oppenheims Theorie eine Lösung – allerdings eine nicht völlig zufrieden stellende. Das Informationsparadoxon dreht sich darum, dass Schwarze Löcher möglicherweise Informationen zerstören: Wenn ein Teilchen in ein solches galaktisches Ungetüm stürzt, gehen manche Eigenschaften dieses Teilchens unwiederbringlich verloren. Ein Schwarzes Loch liefert folglich keine detaillierten Informationen darüber, aus welchen Objekten es besteht. Gemäß der Quantenmechanik darf Information aber niemals verschwinden. Dieser Widerspruch war es, der Oppenheim dazu bewegte, sich mit einer Vereinheitlichung aus Gravitation und Quantentheorie zu beschäftigen.

Durch die Einführung eines zufälligen Elements ist in Oppenheims Theorie die Vernichtung von Information plötzlich möglich. »Dieses Ergebnis werden wahrscheinlich viele als untragbar ansehen«, schreibt Galley.

»Das neue Modell könnte die Wechselwirkung zwischen der Quantentheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie beschreiben«Thomas Galley, Physiker

Selbst wenn sich Oppenheims Theorie als falsch erweisen sollte, könnte sie in der Praxis dennoch ausgesprochen hilfreich sein. Etwa, wenn man die quantenphysikalischen Phänomene in der Nähe von Schwarzen Löchern untersuchen möchte, wie es Stephen Hawking getan hatte. Um solche Extremsituationen zu analysieren, muss man berechnen, wie sich Quantenobjekte in stark gekrümmter Raumzeit verhalten. Doch bei diesem Ansatz wird ignoriert, wie die Teilchen ihrerseits die Raumzeit verbiegen. Sprich: Fachleute nahmen die Raumzeit als unveränderlich an und untersuchten bloß, welcher Einfluss von ihr ausgeht.

Die Gleichungen von Oppenheim stellen nun ein Werkzeug zur Verfügung, außerdem die Wirkung der Quantenobjekte auf die gekrümmte Raumzeit zu untersuchen. »Das neue Modell beschreibt daher potenziell eine grundlegende Wechselwirkung zwischen der Quantentheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie«, schreibt Galley. »Bestehende Ansätze zur Quantenfeldtheorie haben diese Eigenschaft nicht – sie behandeln die Krümmung der Raumzeit als konstant.«

Auch wenn Oppenheims Theorie gewagt ist und vielleicht nicht alle mit der Lösung des Informationsparadoxons einverstanden sind, so hat sie einen deutlichen Vorteil gegenüber bisherigen Quantengravitationstheorien: Sie lässt sich im Labor überprüfen.

Was sagen die Experimente?

Während der Ausarbeitung seiner Theorie hat Oppenheim eng mit mehreren Doktorandinnen und Doktoranden des University College London zusammengearbeitet. Mit ihnen hat er experimentelle Umsetzungen entwickelt, die seine Theorie testen könnten.

»Sowohl in der Quantengravitation als auch in der klassischen Gravitation ist die Raumzeit um uns herum zufälligen Fluktuationen unterworfen – allerdings auf einer Skala, auf der wir diese Schwankungen bisher nicht erkennen konnten«, sagt der Doktorand Zach Weller-Davies, der an der Arbeit beteiligt war. Die Fluktuationen ließen sich nachweisen, indem man das Gewicht eines Objekts sehr präzise bestimmt: Das Ergebnis müsste mit der Zeit variieren. Das zu messen, ist aber so gut wie unmöglich. Denn Experimente unterliegen immer Schwankungen, die durch allerlei äußere Umstände entstehen: Temperaturänderungen, Erschütterungen durch seismische Aktivitäten, ein nicht ideales Vakuum und so weiter. Eine perfekte Messung lässt sich nicht durchführen.

Im Fall einer klassischen Gravitation müssten die Fluktuationen allerdings stärker ausfallen als bei einer Quantengravitation. Wie Oppenheim mit Weller-Davies und seinem Team herausfand, gibt es einen unteren Schwellenwert für die Stärke der Schwankungen, welche die klassische Schwerkraft verursachen würde. Und wie sich herausstellt, hängt dieser Schwellenwert mit der maximalen Zeitdauer zusammen, in der sich ein schweres Atom in einer Überlagerung zweier Zustände befinden kann. Das lässt sich mit Hilfe von Goldatomen in einem Doppelspaltexperiment untersuchen.

»Ausgehend von sehr allgemeinen Annahmen können wir eine klare Beziehung zwischen zwei messbaren Größen nachweisen – dem Ausmaß der Raumzeitfluktuationen und der Zeit, die Objekte wie Atome in einer Überlagerung zweier verschiedener Orte verweilen können. Diese beiden Größen können wir dann experimentell bestimmen«, sagt der Physiker Carlo Sparaciari vom University College London, der ebenfalls an der Publikation mitgearbeitet hat.

»Es gibt einen Test, der eindeutig klären kann, ob die Schwerkraft quantisiert ist oder nicht«Antoine Tilloy, Physiker

Auch wenn die Messungen hohe Präzision erfordern, sind sie mit der heutigen Technik zumindest prinzipiell möglich. »Die Experimente hängen jedoch stark von den Details des gewählten physikalischen Modells ab, in dem viele Parameter frei wählbar bleiben«, erklärt der theoretische Physiker Antoine Tilloy von Mines Paris Science et Lettres, der an ähnlichen Theorien forscht, aber nicht an der aktuellen Arbeit beteiligt war. »Doch es gibt einen Test, mit dem man eindeutig feststellen kann, ob die Schwerkraft quantisiert ist oder nicht.«

Dabei handelt es sich um ein Experiment, das der Physiker Sougato Bose vom University College London im Jahr 2017 vorgeschlagen hat. In dem beschriebenen Versuch sollen zwei massereiche Objekte über die Gravitation miteinander verschränkt werden. Sollte das gelingen, wäre zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Schwerkraft einen quantenphysikalischen Kern hat – und somit Oppenheims Theorie widerlegt. Die Durchführung erfordert allerdings bisher unerreichte Präzision. »Ich glaube, dass solche Experimente in greifbare Nähe rücken – eine genaue Zeitspanne ist schwer vorherzusagen, aber vielleicht kennen wir die Antwort innerhalb der nächsten 20 Jahre«, sagt Bose.

Was ist eher Ihre Stärke?

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ist Redakteurin für Mathematik und Physik.