Buchkritik zu »Propagandaschlacht ums Klima« - Spektrum der Wissenschaft


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    Buchkritik zu »Propagandaschlacht ums Klima«

Nach dem Leugnen

Der Klimaforscher Michael Mann entlarvt die Methoden, mit denen Klimaschutzverzögerer heute ihre monetären Interessen zu Lasten des Planeten wahren.
Michael E. Mann
Propagandaschlacht ums Klima
Wie wir die Anstifter klimapolitischer Untätigkeit besiegen
Verlag: Solare Zukunft, Erlangen 2021
ISBN: 9783933634481 | Preis: 29,00 €
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»Krieg«, »mächtiges Arsenal«, »gewaltige Waffen«, »Front« und der »Kampf um den Planeten« – im jüngsten Buch von Michael Mann, einem der renommiertesten und engagiertesten Klimaforschenden weltweit, geht es martialisch zu. »Propagandaschlacht ums Klima« heißt das umfangreiche Sachbuch, im Englischen sogar »The New Climate War«. Das wirkt auf den ersten Blick übertrieben, doch nach der Lektüre fallen die Vorbehalte gegen diese Wortwahl deutlich schwächer aus. Der deutsche wie der englische Titel beschreiben zusammen genau, worum es im Buch geht. Oder mit den Worten des US-Autors: »Die Klimaschutzverhinderer wurden gezwungen, sich von der ›harten‹ Klimaleugnung auf eine ›weichere‹ Leugnung zurückzuziehen: herunterspielen, ablenken, spalten, verzögern und Verzweiflung schüren.« Wolle man dagegen antreten, müsse man die Strategien entlarven und überwinden.

Von Opferrolle keine Spur

Als Urheber der berühmten »Hockeystick-Kurve«, die den Verlauf der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beschreibt, ist Mann seit mehr als zwei Jahrzehnten eines der Hauptziele jener Kräfte, die sich gegen angemessene Reaktionen auf die Klimakrise wehren. So kann der Autor zahlreiche Beispiele aus eigener Erfahrung beisteuern. Dabei beschreibt er die Methoden, die durch fossile Brennstoffe reich gewordene Menschen gegen Personen aus Wissenschaft, Politik und Aktivismus anwenden, wenn diese naturwissenschaftliche Fakten betonen und konsequentes Handeln fordern. Man könnte nun befürchten, die »Opferrolle« des Autors habe zu einem unsachlichen oder polemischen Werk geführt. Doch Mann führt weit mehr als die eigenen Erfahrungen aus, und fast immer sind seine Aussagen durch öffentlich zugängliche Quellen belegt.

Wer »Die Machiavellis der Wissenschaft« von Erik M. Conway und Naomi Oreskes gelesen hat, wird im ersten Teil des Buchs manches wiedererkennen: Mann zeigt zunächst die Parallelen auf, wie die teils gleichen Personen und Organisationen, die früher die Gefahren des Rauchens, des sauren Regens, des Ozonlochs und manches mehr heruntergespielt haben, heute den Klimaschutz sabotieren.

Dabei präsentiert der Autor meist knapp und gut belegt die Fakten zu einem klimawissenschaftlichen Sachverhalt und entkräftet falsche Argumente und Behauptungen. Viel wichtiger aber: Danach setzt er sich mit den Methoden der jeweiligen Angriffe und den dahintersteckenden Personen auseinander. Das ist nicht nur spannend wie ein Krimi, sondern man lernt bei der Lektüre Schritt für Schritt, wie Manipulationen der öffentlichen Debatte die Wahrnehmung der Klimakrise verfälschen und dringende Maßnahmen verzögern. Darin liegt die erste große Leistung Manns: Wem diese Muster bewusst sind, ist immun dagegen. Die zweite große Leistung, bei welcher der Autor oft die Arbeit investigativer Journalistinnen und Journalisten zitiert, ist die Bloßstellung jener Kräfte, die im Hintergrund die Propagandaangriffe finanzieren und koordinieren.

So zeigt Mann, wie man konservative Kräfte einerseits durch Verharmlosung davon abhält, aktiv zu werden, und gleichzeitig Klimaschützende durch Übertreibung der Folgen der Klimakrise dazu bringen möchte, zu resignieren und inaktiv zu werden. An anderer Stelle verspricht man Scheinlösungen wie Wasserstoff, CO2-Speicherung (CCS) oder Geoengineering, wodurch man vor allem Liberale dazu verleitet, vorhandene Lösungen wie die erneuerbaren Energien zu ignorieren und auf Innovationen und scheinbare Marktmechanismen zu setzen, die viel zu spät greifen würden: »Wenn wir eine Erwärmung jenseits der kritischen Grenze von 1,5 Grad Celsius abwenden wollen, haben wir nur noch ein Jahrzehnt Zeit, um die globalen CO2-Emissionen um den Faktor zwei zu reduzieren. Das ist eine sehr kurze Brücke«, schreibt Mann unter Anspielung auf Propagandisten von Brückentechnologien.

Ganz besonders betont der Autor die Motive der Ablenkung und der Teilung: Er belegt, wie die Feinde des Klimaschutzes Forderungen nach individuellen Verhaltensänderungen unterstützen. »Der Ölkonzern BP propagierte Mitte der 2000er Jahre das Konzept eines ›persönlichen CO2-Fußabdrucks‹.« Denn solange nur Minderheiten Konsequenzen umsetzen, können die fossilen Industrien ihr Geschäft rentabel fortführen – anders, als wenn starke politische Mehrheiten Änderungen am System fordern würden: »Die Wahlfreiheit von Verbrauchern führt nicht zum Bau von Hochgeschwindigkeitszügen, zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbarer Energien oder zur Festsetzung einer CO2-Steuer.« Obendrein entstehe so Streit in der Klimaschutzgemeinschaft darüber, welcher Weg richtig sei, und Vordenkende könnten so diskreditiert werden, weil sie nicht in allen Aspekten konsequent handeln.

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Milliardäre, die mit Rufmordkampagnen einflussreiche Forschende und progressive Politikerinnen und Politiker angreifen, Troll- und Bot-Armeen, die Kinder und Jugendliche schikanieren und bedrohen, gekaufte Lobbyisten in Politik und Wissenschaft, millionenschwere Kampagnen, um Falschinformationen zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten – teils mit Hilfe des eigenen Medienimperiums: Die erschreckende Faktensammlung in »Propagandaschlacht ums Klima« lässt keinen Zweifel daran, dass wir uns in einem »neuen Kampf ums Klima« befinden, wie es im Original heißt. Vielleicht sind der beachtliche Umfang des Buches und die Vielzahl an Beispielen erforderlich, um zu begreifen, dass eine kleine, schwerreiche Gruppe einen Krieg gegen den Rest der Menschheit führt. Manns jüngstes Werk kann dabei helfen, die Angriffe abzuwehren und optimistisch zu bleiben.

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Björn Lohmann
Der Autor ist Wissenschaftsjournalist in Essen.