Systemisches Konsensieren - kurz erklärt
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Das SK-Prinzip lautet in seiner einfachsten Version:
Die Gruppe entwickelt möglichst viele Vorschläge und wählt dann jenen aus, der dem Konsens und damit dem Interessenausgleich am nächsten kommt.
Das ist jener Vorschlag, der in der gesamten Gruppe die geringste Ablehnung und daher auch das geringste Konfliktpotenzial erzeugt. Es ist daher unter den vorhandenen Vorschlägen gleichzeitig derjenige, der den besten Interessenausgleich unter den Beteiligten erzielt.
Diese Alternative nennen wir „konsensiert„. Der Prozess, der zum Suchen dieser Alternative abläuft, heißt „Konsensieren".
Formulierung
Die allgemeinste Formulierung des SK-Prinzips lautet:
Die Gruppe entwickelt möglichst viele Vorschläge und ordnet diese sodann hinsichtlich ihrer Nähe zum Konsens.
Und so gehts:
Das ist jener Vorschlag, der in der gesamten Gruppe die geringste Ablehnung und daher auch das geringste Konfliktpotenzial erzeugt. Es ist daher unter den vorhandenen Vorschlägen gleichzeitig derjenige, der den besten Interessenausgleich unter den Beteiligten erzielt.
In vielen Fällen reicht folgende Formulierung:
Die Gruppe entwickelt möglichst viele Vorschläge und wählt dann jenen aus, der dem Konsens und damit dem Interessenausgleich am nächsten kommt.
Diese Alternative nennen wir „konsensiert". Der Prozess, der zum Suchen dieser Alternative abläuft, heißt „Konsensieren".
Systemisches Konsensieren
Konsensieren ist so einfach:
1. Möglichst viele Vorschläge werden entwickelt
2. Die Vorschläge werden von allen Beteiligten bewertet
Beim Bewerten kann jedes Gruppenmitglied seine subjektive Ablehnung, Unzufriedenheit, Widerstände, Ängste, Bedürfnisse und Nöte gegenüber jedem einzelnen Vorschlag durch Widerstandstimmen (W-Stimmen) ausdrücken:
0 W-Stimmen bedeutet: Ich habe keinen Einwand gegen diesen Vorschlag.
10 W-Stimmen bedeuten: Dieser Vorschlag ist für mich unannehmbar.
Zwischenwerte werden nach Gefühl vergeben.
3. Der Gruppenwiderstand wird errechnet. Für jeden Vorschlag werden die W-Stimmen zusammengezählt, die er von allen Beteiligten erhalten hat. Dies ist sein Gruppenwiderstand.
4. Der Vorschlag mit dem geringsten Gruppenwiderstand kommt dem Konsens am nächsten. Er erzeugt in der Gruppe das geringste Konfliktpotential und gilt als „konsensiert".
5. Das Verfahren macht keinerlei Voraussetzungen über den guten Willen der Beteiligten. Da es stets einen Vorschlag mit geringstem Gruppenwiderstand gibt, ist Konsensieren nicht blockierbar, sondern liefert stets eine Lösung. Falls mehrere Vorschläge den gleichen geringsten Gruppenwiderstand erhalten, können unter diesen andere Kriterien eingesetzt werden, um zu einem eindeutigen Entscheid zu kommen
Das Machtparadoxon
Wer nur egoistische Interessen vertritt, wird Widerstand ernten. Daher wird auch der Gruppenwiderstand gegen seinen Vorschlag hoch sein. Da unter den Bedingungen des SK-Prinzips der Vorschlag mit dem geringsten Gruppenwiderstand gesucht wird, ist so ein Vorschlag chancenlos.
Machteinsatz führt beim Konsensieren zu Erfolglosigkeit
Daher gilt das Machtparadoxon: Wer machtorientierte oder egoistische Vorschläge einbringt, wird Widerstand ernten und kann sich deswegen nicht durchsetzen.
Nur wer fähig und bereit ist, in seinen Vorschlägen neben den eigenen Interessen auch die Interessen der Anderen möglichst weitgehend zu berücksichtigen, hat damit Erfolgchancen.
Nicht machtstrebende Egoisten, sondern gemeinschaftlich denkende Menschen formen die Entscheidungen nach dem SK-Prinzip.
Systemisches Konsensieren ist ein Entscheidungsinstrument, ohne ein Machtinstrument zu sein.
Erfolgskriterien, Verhaltensumkehr, Interessenausgleich
Da beim Konsensieren laut „Machtparadoxon" nur Entgegenkommen Erfolg verspricht und Menschen lernfähige Wesen sind, die sich nicht dem Frust dauernder Erfolglosigkeit aussetzen wollen, entsteht daraus eine totale Verhaltensumkehr gegenüber heute üblichen gruppenegoistischen und rücksichtslosen Verhaltensmustern.
Entgegenkommen bringt Erfolg
Jeder, der mit seinen Vorschlägen erfolgreich sein will, muss schon aus eigenem Interesse bemüht sein, die Wünsche und Meinungen der anderen anzuhören und sie zu verstehen, um sie angemessen berücksichtigen zu können.
Gruppen, in denen konsensiert wird, zeigen daher ein Gruppenklima des gegenseitigen Verstehen-Wollens und der Gemeinsamkeit. In diesen Gruppen verstehen die Menschen, dass es jetzt ausschließlich um eine aus Gemeinschaftssicht möglichst gute Lösung geht.
Und zwar nicht aufgrund von moralischen Forderungen, sondern aus systemischen Gründen. Wie das Beispiel des Turnvereins zeigt, an welchem wir das Versagen der Mehrheitsabstimmung demonstriert haben, reicht auch eine einfache Mehrheit nicht, um sich beim Konsensieren durchzusetzen. Die Macht der Stimmenzahlen hat als Entscheidungsprinzip ausgedient. Stattdessen zählt die Qualität des Vorschlags aus der Sicht der ganzen Gruppe, also hinsichtlich seiner Nähe zum Konsens und somit zum größtmöglichen Interessenausgleich.
Gesamtlösungen
Wenn eine Gruppe mit einem Problem konfrontiert ist, so werden Lösungsvorschläge, die das Problem nicht befriedigend lösen, in der Gruppe Widerstand erregen. Vorschläge, die Widerstand erwecken, haben aber beim Konsensieren kaum Chancen auf Erfolg. Zusätzlich kann man der Beschreibung des Konsensierens wie auch des vollständigen Prozesses leicht entnehmen, dass einerseits Gesamtlösungen entwickelt werden, und andererseits nirgends Platz für Feilschen und Handeln oder die Suche nach Kompromissen gegeben ist, man also die angebotenen Gesamtlösungen nicht wieder zerstückelt oder verstümmelt. Das bedeutet, dass Entscheidungen nach dem SK-Prinzip stets vollständige Lösungen für das aktuelle Problem bringen.
Selbstreinigung
Machtorientierte Menschen könnten versuchen, der eigenen Wunschlösung zum Durchbruch zu verhelfen, indem sie dieser 0 W-Stimmen zuordnen, alle anderen Vorschläge jedoch mit je 10 W-Stimmen total ablehnen. Diese Menschen schneiden sich oft genug ins eigene Fleisch. Denn wenn ihre Wunschlösung nicht konsensiert wird, dann haben Sie mit diesem Stimmverhalten auf ihre Mit-Entscheidung verzichtet. Sie haben sich den anderen und deren Vorlieben einfach ausgeliefert, da sie mit ihrem Verhalten keine unterscheidbare Entscheidungsinformation geliefert haben.
Das waren die ehrlichen Werte: Gemüse-Laibchen schmecken den Kindern nicht
Zusätzlich gibt es Beispiele, die zeigen, dass solche Menschen nicht nur auf ihre Einflussnahme verzichten, sondern sich oft genug selbst schaden. Wir zeigen hier das Beispiel vom Familienmittagstisch. Die Eltern hatten mit ihren Kindern erstmalig konsensiert. In der ersten Tabelle sehen Sie die ehrlichen Bewertungen der Kinder, wodurch der Fitness-Teller konsensiert worden wäre. Er wäre aus Sicht der Kinder keine schlechte Wahl gewesen: Die Tochter hat keinerlei Abneigung dagegen – er ist sogar ihr Wunsch gewesen – und der Sohn kann ihn mit nur 4 W-Stimmen auch noch recht gut akzeptieren.
Aber die Kinder haben, wie die zweite Tabelle zeigt, strategisch konsensiert und alles außer dem eigenen Wunsch total abgelehnt. Dadurch wurden die Gemüse-Laibchen konsensiert. Wie man jedoch der ersten Tabelle mit den ehrlichen Bewertungen entnehmen kann, sind die Gemüse-Laibchen das einzige Gericht, das die Kinder ÜBERHAUPT NICHT mögen.
Durch ihr strategisches Konsensieren hatten die Kinder das für sie schlechteste Resultat erzielt. Seither haben die Kinder stets ehrlich bewertet.
Das System reinigt sich selbst und führt zur ehrlichem Bewerten, weil strategisches Konsensieren aufgrund der wirkenden Gesetzmäßigkeiten oft genug in den Misserfolg führt
Dieser Effekt, nämlich dass man sich durch strategisches Konsensieren nicht nur seinen Einfluss auf die Entscheidung nimmt, sondern durchaus auch selbst schaden kann, wird im Allgemeinen sehr schnell verstanden. Dementsprechend unterbleibt strategisches Konsensieren im Weiteren und die Teilnehmer geben ehrliche Bewertungen ab.
Einsatz
Das SK-Prinzip kann eingesetzt werden:
1. um Gruppenentscheidungen zu treffen
2. um Probleme innerhalb von Gruppen durch die jeweilige Gruppe selbst zu lösen
3. um eine Anzahl von Alternativen gemäß ihrer Qualität in den Augen einer Gruppe zu reihen
4. zur Lösung beliebiger komplexer Aufgabenstellungen durch eine Gruppe
Bei den obigen 4 Punkten ist etwa gleiche Verantwortlichkeit und Betroffenheit der Teilnehmer Voraussetzung. Der Pilot eines Jumbojets wird zum Beispiel nicht mit seinen Passagieren konsensieren, ob er beschleunigen soll oder nicht: dazu sind Kompetenz und Verantwortlichkeit zu unterschiedlich. Falls die etwa gleiche Verantwortung und Betroffenheit nicht gegeben ist, kann Konsensieren trotzdem zum Erfolg führen, wenn zumindest der gute Wille der überwiegenden Mehrheit vorhanden ist. Am Beispiel des Piloten sieht man jedoch, dass der gute Wille allein nicht ausreicht.
Auch im Fall des Eurovision-Songcontests könnte Konsensieren sinnvoll eingesetzt werden
5. als Ersatz für den derzeitigen Mehrheitsentscheid
In den meisten Fällen wird dies ohne einschränkende Bedingungen möglich sein. In manchen Fällen wären Zusatzüberlegungen sinnvoll. So zum Beispiel beim Eurovisions-Songcontest. Für den derzeitigen Mehrheitsentscheid spricht, dass man feststellen möchte, ob viele Besucher zu den Konzerten des Sängers kommen bzw. seine Platten kaufen würden. Andererseits aber ist es natürlich nicht im Sinne der Sendeanstalten, Lieder eines/r Sängers/Sängerin zu senden, den/die viele nicht zu hören wünschen – was für Konsensieren sprechen würde. Man müsste in diesem Fall einfach den/die SängerIn mit der höchsten Akzeptanz suchen.
6. zur Lösung von Gruppenkonflikten
Die Voraussetzung dabei ist, dass die überwiegende Mehrheit der Gruppe ein echtes Interesse an der Lösung des Konflikts hat. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so sollte zumindest die Bereitschaft der Gruppe gegeben sein, die lenkenden Vorgaben eines Moderators zu akzeptieren (der Prozess verläuft dann allerdings nicht mehr völlig machtfrei; ein Scheitern ist möglich).
7. zur Kooperativen Entscheidungsvorbereitung
Da dabei die Verantwortung für den Entscheid ohnehin von einem oder mehreren Verantwortungsträgern AUSSERHALB der konsensierenden Gruppe getragen wird, sind hierfür keine weiteren Voraussetzungen nötig.
Die Eigenschaften der konsensierten Lösung
Der konsensierte Vorschlag ist jener mit dem geringsten Gruppenwiderstand. Daraus folgt, er
- erzeugt die geringste Unzufriedenheit in der Gruppe …
- wird von allen gemeinsam am leichtesten angenommen …
- kommt dem Konsens am nächsten …
- kommt daher auch dem allgemeinen Interessenausgleich am nächsten …
- erzeugt somit das geringste Konfliktpotential …
- kommt daher als Problemlösung am ehesten in Frage
Es ist die Qualität eines Vorschlages in den Augen der Gesamtgruppe, die entscheidet, ob ein Vorschlag konsensiert wird oder nicht. Diese Qualität ist unabhängig von der Größe der Gruppe, welche den Vorschlag eingebracht hat. Daher haben auch Vorschläge, welche von Minderheiten oder sogar von einem Einzelnen eingebracht werden, durchaus Erfolgschancen. Stimmzahlen haben als Machtfaktor ausgedient. Dies haben wir immer wieder beobachtet.
Allgemeine Formulierung
In vielen Fällen müssen außer dem konsensierten Vorschlag noch weitere konsensnahe Vorschläge in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.
Daher lautet die allgemeinste Formulierung des SK-Prinzips:
Konsensieren heißt, die größtmögliche Näherung an den Konsens suchen
Die Gruppe entwickelt möglichst viele Vorschläge und ordnet diese sodann hinsichtlich ihrer Nähe zum Konsens.
Diese Reihung der Vorschläge ergibt sich beim Konsensieren von selbst.